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Steffen Mau / Nadine M. Schöneck (Hrsg.)

(Un-)Gerechte (Un-)Gleichheiten

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2015 (edition suhrkamp 2684); 208 S.; 16,- €; ISBN 978-3-518-12684-4
Die öffentliche Aufmerksamkeit für Phänomene sozialer Ungleichheit ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Dies ist nicht nur eine Reaktion auf die sozialstatistisch gut belegte Öffnung der Schere zwischen hohen und geringen Einkommen, die Debatte bezieht sich zunehmend auch auf ungleiche Chancen gesellschaftlicher Teilhabe, die nur mittelbar mit der ungleichen Verteilung ökonomischer Ressourcen zu tun haben. Mit Blick auf diese Diskussionslage müssen sich die Sozialwissenschaften fragen lassen, ob sie in ihren Analysen nicht zu umstandslos soziale Unterschiede als illegitime, weil ungerechte Ungleichheiten ausgeben und damit zu einer Dramatisierung des Ungleichheitsdiskurses beitragen. An diesem Einwand setzen die Autor_innen des Sammelbands an und führen Sichtweisen der Soziologie, der Geschichts‑, Politik‑, Wirtschafts‑ und Rechtswissenschaften zusammen, die unterschiedliche Aspekte die beiden Fragen behandeln: „Inwiefern ist Ungleichheit dysfunktional, das heißt mit (hohen) individuellen und gesellschaftlichen Kosten verbunden? […] Inwiefern kann Ungleichheit funktional (bzw. zumindest akzeptabel) sein?“ (14). Die ersten fünf Beiträge setzen sich stärker theoretisch mit der Relation von Ungleichheit und Ungerechtigkeit auseinander. Hier sind die Texte zur Differenz von marktbezogener Proletarität und staatsbezogener Prekarität (Heinz Bude), zum meritokratischen Widerspruch von Statusdifferenzierung und Chancengleichheit (Steffen Mau) und über die paradoxe Reputationsverteilung innerhalb des Wissenschaftssystems (André Kieserling) besonders anregend. Im zweiten Teil des Bandes werden aktuelle Felder der Ungleichheitsdiskussion – Bildung, Markt, Sozialstaat, Geschlechter, Erbschaften, Zuwanderung, Demokratie – von jeweils zwei Autor_innen teils konträr, teils komplementär diskutiert. Sie wenden sich nicht in erster Linie an ein Fachpublikum, sondern versuchen eher, eine spezifische Problemperspektive in knapper Form vorzutragen. Auch wenn hier zum Teil Unterschiede in der argumentativen Substanz auffallen, so wird in dem Band insgesamt doch eine Einsicht unterstrichen: „Wann Differenz zu Ungleichheit (und Ungerechtigkeit) wird, muss ständig neu ausgehandelt werden.“ (Paul Nolte, 204)
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Rubrizierung: 2.24.454.422.272.23 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Steffen Mau / Nadine M. Schöneck (Hrsg.): (Un-)Gerechte (Un-)Gleichheiten Frankfurt a. M.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38972-un-gerechte-un-gleichheiten_47064, veröffentlicht am 15.10.2015. Buch-Nr.: 47064 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken