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Bruno Schirra

ISIS. Der globale Dschihad. Wie der "Islamische Staat" den Terror nach Europa trägt

Berlin: Econ 2015; 335 S.; kart., 18,- €; ISBN 978-3-430-20193-3
Bruno Schirra will mit seinem Buch den Aufstieg von ISIS (Islamischer Staat im Irak und in Syrien) – er vermeidet bewusst die seiner Ansicht nach legitimitätsfördernde Bezeichnung Islamischer Staat – und dessen Konsequenzen für die Region und ihre Menschen erklären. Ihm gehe es dabei nicht darum, so stellt er bereits gleich zu Beginn klar, eine Lösung für die Bekämpfung der Organisation zu liefern. Schirra hat die Region bereist und mit Opfern und Mitgliedern von ISIS ebenso wie mit westlichen Geheimdienstvertretern gesprochen. So ergibt sich eine Mischung aus Reportage und Reisebericht, in der nicht nur der Irak, sondern auch die Nachbarstaaten – allen voran die Türkei, der Schirra ein eigenes Kapitel widmet, – und die Vorstädte europäischer Metropolen wie Paris oder London als Ausgangspunkte für Dschihadisten zu Schauplätzen werden. Schirra bleibt allerdings an der Oberfläche, wenn er bei dem Versuch, das komplexe Geflecht aus lokalen, regionalen und internationalen Entwicklungen zu einem Ganzen zusammenzufügen, einen Flickenteppich aus Episoden liefert, um die Entstehung und Ausbreitung von ISIS verständlich zu machen. Seine Ausführungen unterscheiden sich nicht von anderen in der Tendenz, denen, die im Umgang mit ihren Feinden keinerlei Menschlichkeit zeigen, das Menschsein abzusprechen. So bezeichnet er ISIS und die Anhänger Abu Bakr al‑Baghdadis wahlweise als „Metastasen“ (10), die wucherten, oder gar „Barbaren“ (9), die nur eines liebten: „das Dunkel der blutigsten Barbarei. Den Tod und nicht das Leben.“ (11) So viel Pathos verstellt den analytischen Blick auf die Hintergründe dessen, was dort passiert. Auch mit Blick auf den Terror, der durch zurückgekehrte Dschihadisten nach Europa getragen wird, bietet Schirra keine tiefgehende Analyse gesellschaftlicher Dynamiken, die diesen womöglich begünstigen. Vielmehr zeichnet er mit seinem letzten Kapitel ein diffuses Bedrohungsszenario, in dem anonyme Nachrichtendienstler Warnungen und Einschätzung liefern, wonach der Dschihad „schon längst mitten in Europa angekommen“ sei und man „bisher ganz einfach nur Glück gehabt“ (322) habe. Schirras Sprachwahl und die Auswahl von Zitaten anderer – vom westlichen Geheimdienstmitarbeiter bis zum Bewohner der irakischen Stadt Tikrit – sind jedoch wenig hilfreich für das Verständnis der Ziele und Methoden von ISIS. Interessanter wäre die Frage, inwiefern die menschenverachtende Brutalität nicht vielmehr fester Bestandteil des Systems des ISIS und damit Teil von Kontrolle und Herrschaft im sogenannten Kalifat ist. Damit wäre ein echter Beitrag zur Entmystifizierung einer Bewegung getan, aus deren Inneren – im Verhältnis zu ihrer ausgiebigen Selbstdarstellungsbemühungen via Internet und sozialen Medien – vergleichsweise wenig bekannt ist.
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Rubrizierung: 4.41 | 2.25 | 2.63 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Bruno Schirra: ISIS. Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38920-isis_46793, veröffentlicht am 01.10.2015. Buch-Nr.: 46793 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken