Skip to main content
Johannes Ludewig

Unternehmen Wiedervereinigung. Von Planern, Machern, Visionären

Hamburg: Osburg Verlag GmbH 2015; 288 S.; geb., 22,- €; ISBN 978-3-95510-076-6
Diese Erinnerungen sind weniger für ein Fachpublikum geschrieben, sondern dürften eher Leser_innen ansprechen, die der CDU zugeneigt sind. Johannes Ludewig arbeitete unter Helmut Kohl lange im Bundeskanzleramt, wurde Staatssekretär und später Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, die deutsche Wiedervereinigung hat er miterlebt und für die Bundesregierung mitgestaltet. Seine persönliche Perspektive prägt auch dieses Buch, das etwas unvermittelt am 13. Mai 1990 mit der letzten Verhandlungsrunde zur Währungs‑, Wirtschafts‑ und Sozialunion ansetzt. Man gewinnt schnell einen Eindruck davon, wie im „Raumschiff Bonn“ – die lange Jahre gängige Metapher kommt bei der Lektüre als vielleicht gar nicht so unbegründet in den Sinn – das „Unternehmen Wiedervereinigung“ gehandhabt wurde: weniger als ein Vorhaben der Bevölkerung, obwohl doch erst die DDR‑Bürger_innen mit friedlichem Protest und/oder Flucht das Ende des maroden SED‑Regimes verursacht hatten, sondern eher als ernste Angelegenheit einiger weniger. In dieser historischen Mission unterwegs, störten die Wahlsiege der SPD bei den Landtagswahlen in Nordrhein‑Westfalen und Niedersachsen offenbar gewaltig – sein Unverständnis über die Wähler_innen, die ausgerechnet in dieser Stunde der Geschichte die Opposition wählten, kann Ludewig auch 25 Jahren nach dem Geschehen nicht verhehlen. Die Erzählung schreitet dann flott voran, es reihen sich Termine und Personen aneinander, thematische Vertiefungen stehen nicht im Mittelpunkt. Stattdessen widerfährt Günther Krause eine ausführliche Würdigung für seinen „großen persönlichen Anteil an der Wiederherstellung der Einheit unseres Vaterlandes“; dessen tiefer politischer Sturz im „Gefolge verschiedener in der Öffentlichkeit breit diskutierter, angeblicher finanzieller Unregelmäßigkeiten“ (39) scheint Ludewig ebenfalls unverständlich geblieben zu sein – zur Erinnerung: Krause ist 2007 rechtskräftig verurteilt worden. Wiederholt gewürdigt wird auch Helmut Kohl, dem Ludewig einen ausgeprägten Familiensinn bescheinigt und als guten Zuhörer charakterisiert. Die DDR‑ und dann neuen Bundesbürger_innen dagegen stehen in diesem Buch vor allem als streikende Arbeiter am Straßenrand, Ludewig erzählt von missglückten Übernahmen ostdeutscher Betriebe, lobt die Arbeit der Treuhandanstalt und macht sich Gedanken über die weitere wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands. Abgerundet wird das Buch mit einigen Fotos und einer Zeittafel, zu deren willkürlich ausgewählten Daten der 60. Geburtstag Helmut Kohls und das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft gehören, aber auch die Ermordung Detlev Rohwedders. Der letzte Eintrag vermerkt für den 22. Juli 1997, dass Kohl mit einem Auszubildenden in Eisenhüttenstadt ein Warmwalzwerk in Betrieb nimmt. Als Eindruck wird damit nahegelegt, die Arbeit an der Einheit sei getan.
{NW}
Rubrizierung: 2.3152.342 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Johannes Ludewig: Unternehmen Wiedervereinigung. Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38843-unternehmen-wiedervereinigung_46903, veröffentlicht am 10.09.2015. Buch-Nr.: 46903 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken