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Peter Schaar

Das digitale Wir. Unser Weg in die transparente Gesellschaft

Hamburg: edition Körber-Stiftung 2015; 220 S.; brosch., 17,- €; ISBN 978-3-89684-168-1
Das Internet ermöglicht nicht nur neuartige Partizipationsmöglichkeiten, sondern ebenfalls neue Wahl‑, Kontroll‑ und Herrschaftstechniken. Die Quelle hierfür sind Daten, die jeder Nutzer zwangsläufig hinterlässt, wie nicht nur die zahlreichen Aufdeckungen der NSA‑Affäre bezeugen. Peter Schaar, der ehemalige Datenschutzbeauftrage der Bundesregierung und seit vielen Jahren für den Datenschutz aktiv, fragt nach den gesellschaftlichen Veränderungen, die sich aus der zunehmenden Nutzung der Informationstechnik ergeben. Schaar liefert keine platte Technologiekritik, in der das Internet als Übel verurteilt wird – im Gegenteil: „Wir müssen uns also mit der Digitalisierung auseinandersetzen, unabhängig davon, ob wir den digitalen Wandel positiv oder negativ sehen“, denn „eine Rückkehr ins analoge Zeitalter wird es nicht geben“ (35). Doch wer bestimmt die Regeln? Es sind die großen Internetkonzerne, die über ein Monopol verfügen und die Spielregeln diktieren. Bei der Lektüre wird deutlich, wie weit diese Unternehmen vom demokratischen Ideal der frühen Netzpioniere entfernt sind: Ihre Kunden sind längst gläsern geworden und fungieren als Datenlieferanten. Die Nutzerrechte werden dabei immer weiter eingeschränkt, Spielregeln und Suchergebnisse festgelegt und in umfangreichen ABGs die Zustimmung der Kunden eingeholt, sie auch außerhalb der angebotenen Dienste zu beobachten, wie das Beispiel Facebook zeigt. Die Zustimmung zu solchen Maßnahmen wird alleine durch die weitere Nutzung der Websites eingeholt. Die totale Transparenz des Kunden trifft so auf die vollständige Intransparenz der Datensammler. Welche Folgen diese Entwicklung für die politische Ebene hat, zeigt Schaar anhand der US‑amerikanischen Wahlkämpfe, für die bereits Metadaten erhoben und dann gezielt eingesetzt werden. Doch „Demokratie ist keine Maschine“ (90) und Politik kein Markt, wie er immer wieder betont und dabei genau das pseudo‑libertäre Weltbild der Silicon‑Valley‑Akteure beschreibt. Der Autor plädiert für eine Machtbegrenzung der „staatlichen und privatwirtschaftlichen digitalen Machthaber“ (197), stärkere Kartell‑ und Verbraucherrechte und eine höhere Transparenz seitens der Internetkonzerne: „Dies gilt insbesondere für Angebote, die vermeintlich kostenlos sind, die wir aber mit unseren Daten bezahlen“ (202). Wer eine verständliche und dennoch tief gehende Analyse der Netzpolitik sucht, wird hier fündig.
{FGI}
Rubrizierung: 2.22.22 Empfohlene Zitierweise: Fabrice Gireaud, Rezension zu: Peter Schaar: Das digitale Wir. Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38806-das-digitale-wir_47389, veröffentlicht am 27.08.2015. Buch-Nr.: 47389 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken