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Jochen Kleinschmidt

Funktionen und Folgen politischer Grenzen in der Weltgesellschaft

Online-Publikation 2014 (http://edoc.ub.uni-muenchen.de/16726/1/Kleinschmidt_Jochen.pdf); 357 S.
Diss. München; Begutachtung: C. Schwaabe, K. Fischer. – Kleinschmidt geht es in seiner Dissertation „um eine Neubegründung – oder vielleicht sogar: überhaupt eine erstmalige grundlagentheoretisch reflektierte Begründung – der politiktheoretischen Raumbegrifflichkeit.“ (22). Was also heißt Raum insofern er politisch von Belang ist? Um es gleich vorwegzunehmen: „Räumeln ist in“ (301). Im Rahmen einer breit angelegten, metatheoretischen Rekonstruktion einschlägiger Raumtheorien konstatiert Kleinschmidt, dass jenseits der Vorstellung verdinglichter Territorialität, wie sie in klassischen Ansätzen, etwa der Drei‑Elemente‑Lehre Georg Jellineks, in der bisherigen rechts‑ und politikwissenschaftlichen Debatte immer wieder auftaucht, eine Raumkonzeption entwickelt werden müsse, die diese Engführung zu überwinden vermag. Schaue man über den etwa von Carl Schmitt als „Akt der Landnahme“ (27) bezeichneten ursprünglichen Aneignungsakt von Territorium im Sinne eines „Schirms“ (54) hinaus, dann benötige man angesichts so divergenter Phänomene wie asymmetrischer Kriegführung, failed states und supranationaler Kooperationsformate einen auch in normativer Perspektive tragfähigen Begriff, noch dazu einen, der hinreichend theoretisch untermauert sei. Kleinschmidt schlägt in diesem Zusammenhang unter anderem eine am panoptischen Raumdenken Foucaults orientierte Neupositionierung vor, die nicht nur einen konkreten Raumbezug im Sinne von Territorialität oder Abgrenzung enthalte, sondern die zudem die sich im Raum manifestierenden Sozialstrukturen mit berücksichtigen könne. So wären das von Giorgio Agamben in Anknüpfung an Foucaults Biopolitik entworfene Lager, und mit ihm der Homo Sacer, zeitdiagnostisch aktualisierte Repräsentationen politikwissenschaftlichen Raumdenkens. Die Breite der von Kleinschmidt referierten theoretischen Perspektiven – von der Systemtheorie über den Sozialkonstruktivismus bis hin zum Poststrukturalismus – zeigt jedenfalls eines sehr deutlich: „Insbesondere erscheint es als wichtig, die Vorstellung eines automatischen Antagonismus verschiedenster Verräumlichungen aufzugeben zugunsten der Überlegung, dass es sich bei Territorien und Netzwerken, virtuellen und materiellen, voluntaristisch und deterministisch aufgefassten Räumen keineswegs um exklusive, einander ausschließende Phänomene handelt.“ (301) Statt geopolitischer Großtheorien gelte es vielmehr zu untersuchen, wie sich Räume selbst konstituierten.
{LEM}
Rubrizierung: 5.422.2 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Jochen Kleinschmidt: Funktionen und Folgen politischer Grenzen in der Weltgesellschaft 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38805-funktionen-und-folgen-politischer-grenzen-in-der-weltgesellschaft_47326, veröffentlicht am 27.08.2015. Buch-Nr.: 47326 Rezension drucken