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Bernd Florath (Bearb.)

Die DDR im Blick der Stasi 1965. Die geheimen Berichte an die SED-Führung

Göttingen u. a.: Vandenhoeck & Ruprecht 2014; 320 S.; 29,99 €; ISBN 978-3-525-37504-4
Seit dem Aufstand am 17. Juni 1953 ließ sich die SED‑Führung – insbesondere Erich Honecker, an den die meisten Berichte gingen – vom Ministerium für Staatssicherheit über wirtschaftliche Zustände und (tatsächlich oder nur vermeintlich) politisch relevante Vorkommnisse berichten (siehe Buch‑Nr. 43607). Diese Berichte mit zusammengefassten Informationen „zu bestimmten Problemen, die ‚analytische Darstellungen‘ enthalten“ (53) sowie sogenannte Einzelinformationen werden in loser Reihenfolge der Jahrgänge nun für die Wissenschaft aufbereitet. In diesem Band finden sich einige ausgewählte Berichte, der vollständige Jahrgang auf beigefügter CD‑ROM und später frei zugänglich im Internet unter www.ddr‑im‑blick.de; neu ist mit dieser Publikation, dass auch eine kostenlose App zur Verfügung gestellt wird. Daniela Münkel und Bernd Florath leiten zunächst in das Projekt ein und erhellen den zeitgeschichtlichen Kontext, in dem die Berichte aus 1965 zu lesen sind. Dieses Jahr nimmt hier in zweierlei Hinsicht eine besondere Stellung ein: intern für das Ministerium für Staatssicherheit, in dem eine neue Arbeitsgruppe für die Erstellung der Berichte eingerichtet wurde mit dem Ziel, das gesamte Verfahren zu professionalisieren. Für die gesamte Gesellschaft (also extern des Partei‑ und Staatsapparates) war 1965 eine Wegscheide, scheiterte doch Walter Ulbrichts Versuch, die Wirtschaft der DDR trotz Plan etwas flexibler zu gestalten. Damit einhergegangen waren Lockerungen in der Jugend‑ und Kulturpolitik, die nun auf Honeckers Geheiß (siehe auch Gunnar Decker, „1965“, Buch‑Nr. 47154) zurückgenommen wurden. Die gesamte Haltung gegenüber den Jugendlichen wurde unnachgiebig, wie auch der Bericht vom 1. November 1965 „über eine Zusammenrottung von Jugendlichen in Leipzig“ (279 ff.) zeigt – bei dieser Aktion protestierten junge Menschen dagegen, dass man ihnen ihre Musik vorschreiben wollte. Weitere Schwerpunkte in der Berichterstattung waren, wie Florath erläutert, der Status Berlins in Verbindung mit dem Passierscheinabkommen sowie die Entwicklung in den Kirchen. Eine Besonderheit waren die Sammlungen von Berichten aus Sportlerkreisen, wollte man doch eine Direktive zur „‚sozialistischen Körperkultur‘“ (29) erarbeiten. Florath schärft in seiner Einleitung außerdem den Blick dafür, dass die Stasi‑Informationen „relativ zurückhaltend“ (31) formuliert waren – im Gegensatz zu den damaligen dramatisierenden Äußerungen Honeckers, der in den Jugendlichen vor allem Konterrevolutionäre zu sehen schien.
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Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Bernd Florath (Bearb.): Die DDR im Blick der Stasi 1965. Göttingen u. a.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38787-die-ddr-im-blick-der-stasi-1965_46761, veröffentlicht am 27.08.2015. Buch-Nr.: 46761 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken