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Grit Straßenberger

Hannah Arendt zur Einführung

Hamburg: Junius 2015 (Zur Einführung); 208 S.; 13,90 €; ISBN 978-3-88506-089-5
Von zentraler Bedeutung für die politische Theorie Hannah Arendts ist die scharfe Abtrennung der Sphäre des politischen Handelns als „besonderer, vom privaten wie gesellschaftlichen Raum unterschiedener Bereich“ (54). Diese Trennung wurde durch den Ausgangspunkt in der „mit Platon anhebende[n] Tradition politisch‑philosophischen Denkens“ (12) sowohl möglich als auch nötig. Grit Straßenberger rekonstruiert den Ursprung dieses antiphilosophischen und neoaristotelischen Feldzugs gegen eine Kolonisierung des für Arendt quasi heiligen politischen Raumes. Arendts ursprüngliche Erkenntnis war, dass die Ermordung der europäischen Juden nicht durch ein systematisches, tiefliegendes Element des Bösen in der Gesellschaft zu erklären sei, sondern vielmehr aufgrund einer geradezu schockierenden Ahnungslosigkeit, Mittelmäßigkeit und Erbärmlichkeit seiner ausführenden Subjekte zustande kam. Den Bürgern müsse daher zuallererst gerade diese „Unfähigkeit, sich auszudrücken“, diese „Unfähigkeit zu denken und zu urteilen“ (41) genommen werden, um die politische Handlungsfähigkeit und Verantwortlichkeit wiederherzustellen. Dafür bricht Arendt erstens die Anschlussfähigkeit an eine soziologische Analyse von (totalitärer) Herrschaft ab, indem sie Max Webers heuristische, als zu passiv empfundene „Gleichsetzung von Legitimität und Akzeptanz“ (51) aufgibt und durch eine vielschichte, individualistische Metaphysik des Politischen überführt. Zweitens kassiert Arendt mit dickem Strich die Trennung von Subjekt und Objekt in der politischen Theorie: Dieser Handlungstheorie nach kann „Freiheit […] nicht der Zweck der Politik“ (54) sein – stattdessen fallen Freiheit und Politik in der direkten Handlung eines Bürgerlichen zusammen. Das heißt im Umkehrschluss, dass die beiden Begriffe getrennt voneinander keine Bedeutung haben, sich also eine politische Praxis auch nicht das Ziel der Erringung der Freiheit setzen kann. Weiterhin führt dieser Focus auf die Handlungsfähigkeit zu einer „Ausblendung der sozioökonomischen und soziokulturellen Voraussetzungen für politische Teilhabe“ aus Furcht davor, „dass solche Fragen die Dissensfähigkeit politischer Arrangements überstrapazieren“ (121) könnten, wodurch sich Arendt drittens radikal vom Marxismus abgrenzt. Straßenberger verpasst es leider, diese dreifache Isolierung Arendts in ihren Auswirkungen kritisch zu reflektieren. Der Band führt so zwar gut in wesentliche Punkte von Arendts Denken ein, lässt die Frage nach der Aktualität der Kontroverse aber außen vor, wodurch die eigentliche Schärfe und die Bedeutung der politischen Theorie Arendts im Hintergrund bleiben.
{FG}
Rubrizierung: 5.46 Empfohlene Zitierweise: Florian Geisler, Rezension zu: Grit Straßenberger: Hannah Arendt zur Einführung Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38729-hannah-arendt-zur-einfuehrung_47430, veröffentlicht am 06.08.2015. Buch-Nr.: 47430 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken