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Benedikt Widmaier / Gerd Steffens (Hrsg.)

Politische Bildung nach Auschwitz. Erinnerungsarbeit und Erinnerungskultur heute

Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag 2015 (Non-Formale Politische Bildung 7); 191 S.; 19,80 €; ISBN 978-3-7344-0069-8
„‚Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung.‘“ (5) Die Herausgeber stellen ihrem Sammelband ein bekanntes Adorno‑Zitat von 1966 voran. Adorno habe damals schon die selbsterklärende Evidenz seiner Aussage betont, gerade wegen dieser Unbestreitbarkeit seiner Forderung sei es heute wichtig, nach dem Selbstverständnis politischer Bildung zu fragen. In einer Zeit, in der Auschwitz in Medien und auch Unterhaltungsindustrie allgegenwärtig sei, stelle sich die Frage, „ob Erinnerungspädagogik einer grundlegenden Revision bedürfe“ (6). Diesem Themenkomplex war auch eine Tagung im März 2013 in Heppenheim gewidmet, auf der das Buch basiert. Wolfgang Meseth weist in seinem Beitrag (der mit „Erziehung nach Auschwitz 2.0“ unglücklich weil taktlos betitelt ist) darauf hin, dass, wer die Formel „‚nach Auschwitz‘“ (15) als unhinterfragtes Argument für politische Forderungen verwende, immer in Gefahr gerate, die Opfer für eigene Anliegen zu instrumentalisieren. Es sei im erziehungswissenschaftlichen Diskurs müßig, immer wieder die bereits evidenten Ziele der „‚Holocaust‑Education‘“ wie „Mündigkeit, Autonomie‑ und Kritikfähigkeit“ (16) zu betonen. Wichtiger sei, wie dieses bedeutsame Wissen an heutige Jugendliche unter gewandelten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen vermittelt werden könne. Der Marburger Pädagogik‑Professor fordert, „die moralischen Erwartungsstrukturen des Themenfeldes“ (25) mit den Schülern zu verhandeln, um sie so zum Lerngegenstand zu machen. Elke Gryglewski widmet sich den Herausforderungen der Erinnerungspädagogik in einer Migrationsgesellschaft. In der interkulturellen Erziehung spielen demnach die Erinnerungen, die Jugendliche aus Polen oder Griechenland von ihren Großeltern vermittelt bekommen, die selbst noch den Nationalsozialismus als Opfer deutscher Besatzung erlebten, eine große Rolle. Die Politologin kritisiert, dass Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft generell unterstellt werde, sich mit deutscher Geschichte nicht angemessen zu beschäftigen. Aus ihrer Erfahrung in der Gedenkstättenarbeit berichtet sie von erfolgreichen Bemühungen, sich auf neue Zielgruppen einzustellen. So wurde Informationsmaterial auf Türkisch, Kurdisch und Arabisch übersetzt und Länder‑ und Personengruppen in der pädagogischen Arbeit vorgestellt, die sonst eher nicht mit dem Themenfeld Holocaust assoziiert werden. Auf diese wertschätzende Haltung gegenüber kultureller Diversität habe es viel positive Resonanz gegeben.
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Rubrizierung: 2.35 | 2.343 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Benedikt Widmaier / Gerd Steffens (Hrsg.): Politische Bildung nach Auschwitz. Schwalbach/Ts.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38693-politische-bildung-nach-auschwitz_46928, veröffentlicht am 30.07.2015. Buch-Nr.: 46928 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken