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Thomas Piketty

Die Schlacht um den Euro. Interventionen. Aus dem Französischen übersetzt von Stefan Lorenzer

München: C. H. Beck 2015; 175 S.; brosch., 14,95 €; ISBN 978-3-406-67527-0
„Der Grundirrtum lag darin, sich einzubilden, man könne eine Währung ohne Staat, eine Zentralbank ohne Regierung und eine gemeinsame Geldpolitik ohne gemeinsame Haushaltspolitik haben“ (17), fasst Thomas Piketty, Autor des viel diskutierten Bestsellers „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ (Buch‑Nr. 46471), die aktuelle Situation der EU zusammen. Seine in diesem Band zusammengestellten Einzelanalysen, die trotz wissenschaftlichen Inhalts kolumnistisch geschrieben sind, drehen sich um die seit 2008 virulente Finanz‑ und Eurokrise, die eine Folge der ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen sei. Somit gelingt Piketty in diesen „Interventionen“ ein direkter Anschluss an seine Kernthesen aus seinem „Kapital“‑Band – insbesondere an die Formel r > g (Kapitalrendite größer als volkswirtschaftliche Wachstumsrate) – sowie eine konkrete Anwendung seiner Erkenntnisse. So lobt er zwar den Ankauf von Staatanleihen durch die EZB, warnt aber davor, dass dies noch nicht weit genug geht. Dafür macht er die deutsche Angst vor der (Hyper‑)Inflation verantwortlich, obwohl die Gefahr seiner Einschätzung nach eher von einer langen deflationären Rezession ausgeht. Nur eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik könne diese Entwicklung verhindern. Ein weiteres Grundproblem seien nach dem Wegfall der Spekulationen auf die Wechselkurse zwischen den nationalen Währungen die Spekulationen auf die 17 Zinssätze der Staatsschulden, was Piketty als ein Merkmal des ausufernden Finanzkapitalismus sieht. Zwei Lösungen schlägt der Professor der Pariser École d‘Économie vor: Zweifelsohne bedürfe es erstens der Vergemeinschaftung der Schulden in Form der sogenannten Eurobonds. Diese Strukturreform erlaube der EZB, ihrer Rolle als Kreditgeber letzter Instanz gerecht zu werden. Zweitens erfordere dies in der Folge eine demokratisch legitimierte europäische Instanz, entweder durch die Übertragung von Haushaltsbefugnissen auf das Europäische Parlament oder durch die Schaffung eines „Europäischen Haushaltssenat[s]“ (104 ff.). Denn für Piketty gilt es, das Gemeinschaftsprojekt Euro zu retten. Schlussendlich gelingt es ihm, wie es für große Denker seit jeher üblich ist, sich zu aktuellen Diskussionen mit Rückgriff auf sein theoretisches Gebilde analysierend zu äußern. Auch wenn eine stärkere Konzentration auf die Paradoxien der Formel r > g – nämlich, dass eine niedrigere volkswirtschaftliche Wachstumsrate mehr soziale Ungleichheit bedeutet – interessant gewesen wäre, gelingt Piketty hier eine herausragende ökonomische und politische Analyse, wie man sie in dieser Form allenfalls von Paul Krugman oder Joseph Stiglitz kennt.
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Rubrizierung: 3.53.1 Empfohlene Zitierweise: Christian Heuser, Rezension zu: Thomas Piketty: Die Schlacht um den Euro. München: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38574-die-schlacht-um-den-euro_46975, veröffentlicht am 25.06.2015. Buch-Nr.: 46975 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken