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Helga Amesberger

Sexarbeit in Österreich. Ein Politikfeld zwischen Pragmatismus, Moralisierung und Resistenz

Wien: new academic press 2014; 294 S.; pb., 28,- €; ISBN 978-3-7003-1878-1
Prostitutionspolitiken seien in Europa traditionell und unvermindert ein stark umkämpftes Feld, konstatiert Helga Amesberger. Trotzdem gebe es über die Auswirkungen der unterschiedlichen nationalen Regulierungsansätze kaum länderübergreifende Untersuchungen. Die Autorin stellt den österreichischen Teil einer internationalen Vergleichsforschung dar, in der die Situation in den Niederlanden und Österreich analysiert wurde. Kämen in ähnlichen Studien Prostituierte kaum zu Wort, vermutlich aus budgetären Gründen, seien für diese Studie 82 von ihnen interviewt worden. Dies sei wichtig für einen dichten Einblick in die Arbeitsbedingungen der Branche und für eine Versachlichung und Entstigmatisierung der Debatte. Amesberger reflektiert ihre Begriffsverwendung: Die Bezeichnung Sexarbeiterin sei weniger negativ konnotiert als Prostituierte und erkenne an, dass es sich um eine Erwerbstätigkeit handele. Der Ausdruck Kunde statt Freier verdeutliche den Tausch Dienstleistung gegen Geld. Die Autorin verschweigt aber nicht, dass Frauen zur Prostitution gezwungen werden. Sie betont zudem, dass auch „Frauen, die selbstbestimmt in die Sexarbeit einsteigen, [...] dennoch Opfer von Ausbeutung und Gewalt werden“ (70) könnten. Die narrativen Interviews wurden größtenteils von Streetworkerinnen durchgeführt. Amesberger betont die Heterogenität und Komplexität der Prostitution und der jeweiligen Arbeitsumstände. „Sexarbeiterinnen sind auch Sekretärinnen, Verkäuferinnen, Kindergärtnerinnen, Studentinnen, Krankenschwestern, Zuckerbäckerinnen, Ärztinnen, Polizistinnen, [...] Ehefrauen/Lebensgefährtinnen, Mütter, [...] heterosexuell oder homosexuell, gläubig oder nicht gläubig“ (259). Die größten Gemeinsamkeiten bildeten das Geschlecht und die Migrationserfahrung. Migration spiele eine wichtige Rolle: Durch ihren unklaren Aufenthaltsstatus seien die Frauen oft Dritten ausgeliefert und könnten sich nicht an staatliche Stellen wenden. Zudem versperre die fehlende Arbeitserlaubnis den Zugang zu Tätigkeiten außerhalb der Szene. Die Autorin resümiert: „Starke exogene Einflüsse wie Arbeitsmigration und Entwicklungen der Kommunikationstechnologien minimieren die Gestaltungskraft von Prostitutionspolitik“ (258). Trotzdem hätten die Regulierungen Auswirkungen, besonders auf die persönlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte des Erotik‑ und Sexgewerbes und ihr Bild in der Öffentlichkeit. Deshalb fordert sie eine gleichberechtigte Inklusion der Betroffenen in die Gesetzgebung und die Förderung ihrer Selbstorganisation.
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Rubrizierung: 2.42.263 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Helga Amesberger: Sexarbeit in Österreich. Wien: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38465-sexarbeit-in-oesterreich_46723, veröffentlicht am 28.05.2015. Buch-Nr.: 46723 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken