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Stefan Howald

Volkes Wille? Warum wir mehr Demokratie brauchen

Zürich: Rotpunktverlag 2014; 286 S.; brosch., 27,50 €; ISBN 978-3-85869-619-9
Brauchen wir tatsächlich mehr Demokratie? Und wie kann diese angesichts postdemokratischer Demokratieentfremdung und neoliberaler Globalisierung überhaupt noch sinnvoll gestaltet werden? Im Sinne eines komplexen Demokratieverständnisses bejaht der Schweizer Publizist Stefan Howald die erste Frage sehr entschieden: „Natürlich ist Demokratie zu wichtig, als dass sie der institutionellen Politik überlassen bleiben könnte. Es geht um die ganze Gesellschaft“ (8). Die Beantwortung der zweiten Frage ist da wesentlich komplexer. Howald geht in seinen Ausführungen, die mit einer gründlichen Analyse der zeitgenössischen Krisendiagnosen der Demokratie beginnen, von der unbedingten Verbindung von politischer Freiheit und sozialer Gleichheit aus. Die Voraussetzungen von Demokratie sind damit immer auch sozialer und materieller Natur, was die demokratische Frage weit über den politischen, hinein in den wirtschaftlichen und kulturellen Bereich hebt. Ein zentraler, in der aktuellen Debatte zunehmend wichtig werdender Strang ist dabei jener, der nach der eigentlichen Vereinbarkeit von Demokratie und Kapitalismus fragt. Howald diagnostiziert einen global hegemonialen Neoliberalismus, der die Demokratie schon längst marginalisiert habe: „Der Neoliberalismus überträgt [...] ein Menschenbild aggressiv auf die gesamte Gesellschaft. Wenn die Demokratie längst aus der Wirtschaft vertrieben ist, so sollen Markt und ökonomische Nutzenmaximierung jetzt auch auf Bereiche der Politik und der Zivilgesellschaft übergreifen und dort die Demokratie aushebeln.“ (136) Der homo oeconomicus, Inbegriff eines zudem auch überaus konservativen Menschenbildes, avanciert bei ihm zum Widerpart des politisch emanzipierten Bürgers. Ob der allerdings durch politische Bildung zu retten ist, – wie soll das gehen, wenn ohnehin schon alle gesellschaftlichen Bereiche neoliberal durchdrungen sind? – bleibt offen. Ungeachtet der – man mag hier gar nicht einmal Schwäche sagen – gering ausgeprägten Kreativität des Bandes, was alternative demokratische Beteiligungsformen angeht, unter denen sich ausschließlich bereits Bekanntes findet, bleibt aber immer noch eine zentrale Stärke: Howald ist eine beeindruckende, weil komplexe, nicht bloß politische Gegenwartsdiagnose der zeitgenössischen Demokratie gelungen, deren Schweizlastigkeit man ihr beim besten Willen nicht übel nehmen kann.
{LEM}
Rubrizierung: 2.5 | 2.2 | 2.21 | 2.22 | 3.1 | 3.5 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Stefan Howald: Volkes Wille? Zürich: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38384-volkes-wille_46315, veröffentlicht am 07.05.2015. Buch-Nr.: 46315 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken