Skip to main content
Horst Dreier

Idee und Gestalt des freiheitlichen Verfassungsstaates

Tübingen: Mohr Siebeck 2014; XIII, 528 S.; Ln., 69,- €; ISBN 978-3-16-153486-7
Horst Dreier, Herausgeber einer der führenden Kommentare zum Grundgesetz und in der politischen Theorie durch seine Arbeiten zu Staat und Demokratie bei Hans Kelsen bekannt, legt eine Auswahl zumeist schon publizierter Arbeiten der vergangenen 25 Jahre vor. Der Mehrwert, der sich jenseits einer bloßen Sammlung tatsächlich einstellt, ist der eines grundständigen, staatstheoretisch versierten Abrisses zum Thema demokratischer Verfassungsstaat, angesiedelt genau zwischen den Kategorien der Allgemeinen Verfassungslehre und einer Einführung in das Grundgesetz. Systematisch entfaltet wird dies in zwei Hauptteilen anhand der zentralen Begriffe Verfassung, Rechtsstaat, Menschenwürde, Souveränität, Majoritäts‑/Demokratieprinzip, Grundrechte und schließlich ergänzt um die speziellen Problematiken „Grenzen demokratischer Freiheit“ beziehungsweise „‚Eigenständigkeit’ der Verwaltung“. Dass dabei durch den „Verfassungsinterpreten in der offenen Gesellschaft“ (Peter Häberle) immer wieder selbst rechtspolitisch Position zu beziehen ist, wird überdeutlich im dritten Teil, in dem ausgewählte, prägnante verfassungsrechtliche Kontroversen behandelt werden (bioethische Diskussion, Mauerschützenprozesse, direkte Demokratie, Ablösungsvorbehalt des Grundgesetzes). Der Schlussaufsatz zum „freiheitliche[n] Verfassungsstaat als riskante Ordnung“ liest sich schon vom Titel her als liberal‑pluralistisches Plädoyer gegen politische Gemeinschaftskonzepte und für die „Integrationskraft des Dissenses“ (487). Auch hier ist das Buch unbedingt allen – und gerade Politolog_innen – zu empfehlen, die sich mit der Verfassung beschäftigen, weil gegenüber den herkömmlichen juristischen Kompendien, die lehrbuchmäßig (Prüfungs‑)Wissen über das Grundgesetz eher dogmatisch kanonisieren, die staatstheoretische Kontextgebunden‑ und Offenheit von Interpretationen immer wieder deutlich wird – also wie „politisch“ Verfassungsrecht ist. Kritisch bleibt anzumerken, dass die europäische Integration eher beiläufig beziehungsweise bloß als Unterkapitel thematisiert wird (zum Beispiel auf den Seiten 19 bis 21), sodass der „freiheitliche Verfassungsstaat“ des Staatsrechtlers Dreier erst einmal „Staat“ ist.
{RVO}
Rubrizierung: 5.41 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Horst Dreier: Idee und Gestalt des freiheitlichen Verfassungsstaates Tübingen: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38367-idee-und-gestalt-des-freiheitlichen-verfassungsstaates_46810, veröffentlicht am 30.04.2015. Buch-Nr.: 46810 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken