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Valeska Bopp-Filimonov

Erinnerungen an die "Nicht-Zeit". Das sozialistische Rumänien im biographisch-zeitgeschichtlichen Gedächtnis (1989-2007)

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2014 (Balkanologische Veröffentlichungen: Geschichte - Gesellschaft - Kultur 61); 350 S.; brosch., 54,- €; ISBN 978-3-447-10142-4
Diss. Leipzig; Begutachtung: W. Höpken, A. Heinen. – Nicolae Ceau?escu wurde am 25. Dezember 1989 hingerichtet. Der Tod des Diktators markierte einen Epochenwechsel in Rumänien. Wie haben sich das sozialistische Staatssystem und sein Zusammenbruch auf die Darstellung von Lebensgeschichten ausgewirkt? Mit einer Kombination von Diskursanalyse und Oral History analysiert Valeska Bopp‑Filimonov das Zusammenspiel der öffentlichen Debatte und des privaten Erinnerns über das kommunistische Regime. In ihrer Methodik bezieht sie sich auf Siegfried Jägers auf Foucaults Theorien basierende Kritische Diskursanalyse. Mit der Auswertung des medialen Diskurses geht sie daran, „den Rahmen des öffentlich Sagbaren abzustecken“ (32). Auf diesen Rahmen bezieht sie dann 45 lebensgeschichtliche Erinnerungsinterviews, die sie in drei rumänischen Familien führte. Diese Gespräche seien das Herzstück ihrer Arbeit und veranschaulichten eine öffentlich selten wahrnehmbare historische Dimension: „Kaum eine historische Quelle kann gleichzeitig über Gegenwart und Vergangenheit so viel aussagen.“ (34) Der Kommunismus werde in der öffentlich‑medialen Erinnerung vor allem mit Ceau?escu und der Securitate assoziiert sowie als ein vom Ausland aufgedrängtes fremdes politisches Regime dargestellt. Die persönlichen Erinnerungsnarrative der Interviewten zeugten von einem „sorgsam austarierte[n] Verhältnis zwischen praktischer Anpassung und geistiger Distanz zum Regime“ (307). Die Autorin betont aber die Vielzahl variierender Lesarten der historischen Ereignisse. Besonders Menschen, die im Regime aufwuchsen, falle es schwer, „den abwertenden Duktus beim Sprechen über diese Zeit zu übernehmen“ und das eigene Bild einer unbeschwerten Kindheit mit dem eines „grauen diktatorischen Mangel‑Staat[s]“ (308) in Verbindung zu bringen. Anders verhalte es sich, wenn Familienangehörige zu den politisch Verfolgten gehört haben. Bopp‑Filimonov resümiert, dass mit ihrer Methodenkombination eine erkenntnisreiche Verschränkung öffentlicher und privater Narrative möglich wurde und sie damit ein vielschichtiges Bild rumänischer Erinnerungskultur zeichnen konnte. Sie wurde für ihre Arbeit mit einem Förderpreis der Fritz und Helga Exner‑Stiftung ausgezeichnet. Für eine Dissertation nicht selbstverständlich und deshalb erwähnenswert sind die reflektierte Methodendiskussion, ein kompakter und gut strukturierter Aufbau sowie ein ansprechender flüssiger Schreibstil.
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Rubrizierung: 2.612.22.23 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Valeska Bopp-Filimonov: Erinnerungen an die "Nicht-Zeit" Wiesbaden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38302-erinnerungen-an-die-nicht-zeit_46590, veröffentlicht am 16.04.2015. Buch-Nr.: 46590 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken