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Luay Radhan

Muslims Against the Islamic State. Arab Critics and Supporters of Ali Abdarraziq's Islamic Laicism

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2014; VI, 361 S.; 66,95 €; ISBN 978-3-631-65554-2
Diss. Marburg; Begutachtung: A. Fuess, U. Steinbach. – Angesichts einer in manchen Weltregionen zunehmenden Verquickung von Staat und Religion geht Luay Radhan in seiner gegenwartsdiagnostisch bedeutsamen Dissertation der Frage nach, wie sich innerislamisch ein islamischer Laizismus begründen lässt: „Die zentrale Annahme dieser Studie lautet, dass es religiöse Muslime gibt, die aus islamischen Gründen gegen einen islamischen Staat sind“ (4) – wobei hier, um es in aller Deutlichkeit zu sagen, nicht die Terrororganisation, sondern ein auf den Prinzipien des islamischen Glaubens aufgebauter Staat gemeint ist. Anhand einer kritischen Analyse der hierzulande so gut wie unbekannten Schriften des ägyptischen Islamgelehrten und Scharia‑Richters Ali Abdarraziq (alt. Transliteration Ali Abd ar‑R?ziq, 1887/8‑1966) sowie fünf weiterer arabischer Autoren vermag Radhan eine spannende Perspektive islamischen Denkens zu entdecken. Abdarraziq, dessen Hauptwerk „Der Islam und die Grundlagen des Regierens“ (1925) nur ein Jahr nach der Abschaffung des Kalifats durch Kemal Atatürk erschien, habe sich vehement dafür eingesetzt, die Institutionen Staat und Kirche voneinander zu trennen, um den politischen Missbrauch der Religion zu verhindern. Die konkrete Ausübung der Religion müsse reine Privatsache sein. Zwei zentrale Argumente habe er dabei angeführt: Weder gebe es einen aus dem Islam begründbaren Auftrag zu einer wie auch immer gearteten Staatsgründung, noch sei klar, wie ein etwaiger Herrscher eines solchen Staates praktisch überhaupt zu legitimieren sei – sowohl in theologischer als auch in politischer Hinsicht. Zudem sei überhaupt unklar, ob es sich für Muslime in einem islamischen Staat überhaupt besser leben lasse als in einer anderen Herrschaftsordnung. Mit anderen Worten: Abdarraziq argumentiert pragmatisch, indem er dem tatsächlichen Wohlergehen im Zusammenleben der Menschen den Vorrang vor der Etablierung eines spezifischen Institutionengefüges einräumt. Ob und inwieweit sich dieser Ansatz mit laizistischen Bemühungen in Europa (und damit auch: in der Türkei) oder wegen seines staatskritischen Impetus gar mit einem revolutionären Anarchismus à la Bakunin, wie Radhan das zum Ende seiner Ausführungen andenkt, verbinden lässt, bleibt offen. In diese Richtung weiterzudenken bliebe jedoch spannend, nicht zuletzt auch, um den in der politischen Theorie immer noch prädominanten Eurozentrismus zu überwinden.
{LEM}
Rubrizierung: 2.232.635.41 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Luay Radhan: Muslims Against the Islamic State. Frankfurt a. M. u. a.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38294-muslims-against-the-islamic-state_46354, veröffentlicht am 16.04.2015. Buch-Nr.: 46354 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken