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Detlef Horster (Hrsg.)

Untergang des Abendlandes? Die Zukunft der europäischen Kultur in der Welt. Hannah-Arendt-Lectures und Hannah-Arendt-Tage 2011

Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2012; 100 S.; 12,80 €; ISBN 978-3-942393-40-9
Der schmale Band gibt die Beiträge der 14. Hannah‑Arendt‑Tage wieder, die 2011 in Hannover stattfanden. Das an sich spannende Oberthema der Lectures wird in den qualitativ sehr unterschiedlich ausgeprägten Beiträgen nur punktuell beleuchtet. Die thematische Spanne der Einzelbeiträge ist dabei vielleicht einfach zu breit, als dass der Band wirklich einen Beitrag zur systematischen Ergründung dessen zu leisten vermag, was unter europäischer Kultur zu verstehen ist, geschweige denn, wie es um ihre Zukunft bestellt ist. Eine interessante Schneise in das Thema schlägt gleich zu Beginn Rolf Elberfeld, der sich dem Kulturbegriff an sich zuwendet. Dabei macht er darauf aufmerksam, dass dieses Wort erst seit dem 18. Jahrhundert zum deutschen Sprachschatz zählt und anfänglich nur im Singular verwandt wurde. Unter Kultur wurden zunächst der Kultivierungsgrad und die Humanität von Völkern verstanden. Der Plural des Terminus wurde dann im aufkommenden Zeitalter des wechselseitigen Vergleichens und Voneinander‑Abgrenzens durch Jacob Burckhardt und Friedrich Nietzsche eingeführt. Erst seit den 1990er‑Jahren werden Begriffe wie „Interkulturalität und Multikulturalität“ (16) als Ausdruck eines Dialogs zwischen den Kulturen verwendet. Auf einen weiteren Wandel verweist Eberfeld mit seiner These, dass „Interkulturalität sich heute vor allem in den einzelnen Menschen vollzieht und nicht zwischen hypostasierten ‚Kulturen‘“ (17). Der Wert des zweiten Beitrags von Kathinka Dittrich van Weringh besteht vor allem in der den Aufsatz einleitenden Frage „Würden Sie für Europa sterben?“ (29) – eine Frage, die ihr von einem renommierten serbischen Journalisten in einem Interview gestellt wurde. Sie gibt nicht nur Anstoß für ein Nachdenken über den Sinn und Zweck grenzüberschreitender Kulturarbeit in Europa, sondern verdeutlicht vielmehr das in vielen mittelosteuropäischen Staaten verbreitete Misstrauen gegenüber der EU und ihren Versuchen, ein einheitliches Marktmodell zu verwirklichen. Die damit verbundenen Wertvorstellungen werden in vielen dieser Staaten als Bedrohung für die eigene, vergleichsweise junge nationale Souveränität sowie als eine fremdbestimmte Enkulturation verstanden. Die ganze Unüberbrückbarkeit zwischen diesen beiden Kommunikationsebenen verdeutlicht dann – sicherlich ungewollt – sehr anschaulich ein Beitrag wie der von Rebecca Harms: Über grundlegende Befürchtungen dieser Art wird einfach mit einer Forderung nach mehr Europa hinweggegangen – ohne, dass entsprechende Ängste (seien sie berechtigt oder nicht) gewürdigt würden.
{HS}
Rubrizierung: 5.42 | 3.1 | 2.23 | 2.61 | 2.68 | 2.263 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Detlef Horster (Hrsg.): Untergang des Abendlandes? Weilerswist: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38128-untergang-des-abendlandes_42486, veröffentlicht am 05.03.2015. Buch-Nr.: 42486 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken