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Vladimiro Giacché

Anschluss. Die deutsche Vereinigung und die Zukunft Europas

Hamburg: LAIKA Verlag 2014 (Edition Provo 12); 167 S.; 22,- €; ISBN 978-3-944233-26-0
Die Geschichte der Wiedervereinigung habe sich – „bei allen Schattenseiten, die dem schweren Erbe einer Vergangenheit geschuldet seien, die es zu überwinden gelte“ (99), als Erfolgsgeschichte ins Alltagsbewusstsein eingeschrieben, schreibt der italienische Ökonom Vladimiro Giacché. Er stellt dieser Version eine andere Geschichte der deutschen Einheit entgegen, die er anhand von Daten und Zeugnissen der wichtigsten Protagonisten rekonstruiert – die Geschichte einer übereilten wirtschaftlichen Abwicklung und „uneingeschränkte[n] Einverleibung“ (96) der DDR. Der Dreh‑ und Angelpunkt ist für Giacché die Währungsunion, die nicht nur die DDR‑Wirtschaft von einem auf den anderen Tag lahmgelegt und ihr den Todesschuss versetzt habe, sondern den Vereinigungsprozess unumkehrbar machen sollte. Der Autor skizziert dann den Weg von der wirtschaftlichen zur politischen Union, wobei er den Beitritt nach Artikel 23 GG als „Unding“ (41) vergegenwärtigt, beschreibt das Wirken der Treuhandanstalt, die Behandlung der Altschulden sowie den Prozess der Ausschaltung der Eliten der DDR und früheren SED‑Funktionäre. Für Giacché waren die hier kompakt zusammengefassten Hauptetappen des Vereinigungsprozesses von dem Glauben an die Selbstheilungskräfte des Marktes und den Interessen der westdeutschen Wirtschaft getrieben, mit den bekannten und zum Teil desaströsen Begleiterscheinungen wie Deindustrialisierung, Massenarbeitslosigkeit und Abwanderung. Damit wurde Ostdeutschland „die Fähigkeit zu einer selbsttragenden Entwicklung genommen“, (121), urteilt der Autor und spricht wenig überraschend von einem „verfehlten Anschluss“ (128). Welche Lehren daraus zu ziehen sind, erörtert er abschließend mit Blick auf die europäische Währungsunion und die Wirtschafts‑ und Finanzkrise. Dazu zählt die Macht und prägende Kraft einer Währungsunion: „In mehreren europäischen Ländern zeigen sich auch Erscheinungen, die denen der Wirtschaft Ostdeutschlands nach der Einführung der D‑Mark ähneln.“ (141) In Bezug auf Griechenland hält Giacché die „Politik der Hausaufgaben“ (149) oder gar einen Export des Treuhandmodells für falsch und geradezu gefährlich. Er fordert einen radikalen Wandel der Wirtschaftspolitik und eine Abkehr vom deutschen Modell der Lohnsenkung, das „Europa weiter verarmen lässt und die inneren Ungleichgewichte verschärft“ (150). Vor allem aber sei der Euro „weder Religion noch Schicksal“ und habe „nichts Irreversibles an sich“ (154), lautet Giacchés abschließende Mahnung.
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Rubrizierung: 2.315 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Vladimiro Giacché: Anschluss. Hamburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38111-anschluss_46152, veröffentlicht am 26.02.2015. Buch-Nr.: 46152 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken