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Sebastian Harnisch / Joachim Schild (Hrsg.)

Deutsche Außenpolitik und internationale Führung. Ressourcen, Praktiken und Politiken in einer veränderten Europäischen Union

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Außenpolitik und Internationale Ordnung); 397 S.; brosch., 36,- €; ISBN 978-3-8487-1358-5
Der Begriff der Zivilmacht als Bezeichnung für das außenpolitische Rollenverständnis Deutschlands ist zum „Kernbestand der deutschen und europäischen Außenpolitikforschung geworden“ (7) – so formulieren es Sebastian Harnisch und Joachim Schild. Sie nehmen das ursprünglich von Hanns Maull formulierte Konzept als Ausgangspunkt für ihren Sammelband, der mit einem Schwerpunkt auf rollentheoretischen Ansätzen die deutsche Außenpolitik und internationale Führung thematisiert. Ebenfalls aus dieser Warte betrachtet werden die zentralen bilateralen Partnerschaften Deutschlands in Europa und die Frage der Einflussmöglichkeiten der Europäischen Union als Zivilmacht auf ihre unmittelbare Nachbarschaft und darüber hinaus. Harnisch klärt vor diesem Hintergrund in seinem Beitrag über den Unterschied zwischen Führung und Hegemonie auf. Im Sinne eines rollentheoretischen Verständnisses ist Führung demnach eine soziale Rolle, die Gefolgschaft voraussetzt und anders als Hegemonie oder Autorität kein Konzept, das Unteilbarkeit und Dauerhaftigkeit verlangt. Rollenverständnisse können sich wandeln, ablösen und miteinander in Konflikt geraten. In dieser Flexibilität sieht der Autor das größte Erklärungspotenzial des Ansatzes. Hanns Maull selbst liefert in seinem Beitrag einen Überblick der Ursprünge und Entwicklung des erstmals 1990 von ihm verwendeten Begriffs der Zivilmacht (ZM). Er betont, dass sich die politische und wissenschaftliche Verwendung des Begriffs verschiedentlich ausgestaltet hat. Demnach war es die Idee einer „‚Zivilisierung’ der internationalen Politik“ und die „normative Dimension des Zivilmacht‑Begriffs, die ihn politisch attraktiv“ (125) gemacht hat. Außerdem sei das Konzept von vornherein für politische Entscheidungsträger bestimmt gewesen und der „Ehrgeiz, Einfluss auf die Politik zu nehmen, [...] dem Konzept [...] in die Wiege gelegt“ (134) worden. In der Zusammenschau sehen Harnisch und Schild gegenüber den wachsenden Forderungen nach deutscher Führung heute keine materiellen Möglichkeiten auf Seiten der Bundesrepublik. Hinzu komme eine Erosion des gewohnten Gleichgewichts in internationalen Institutionen wie NATO und EU. Für Deutschland als Führungsmacht liegen ihrer Ansicht nach daher die Herausforderungen auch darin – und hier zeigt sich die Aktualität der im Sammelband gestellten Fragen –, inwiefern es vermag, eine Balance „zwischen den internen und externen Erwartungen“ (376) an seine Rolle zu finden.
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Rubrizierung: 4.213.74.222.612.672.683.64.41 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Sebastian Harnisch / Joachim Schild (Hrsg.): Deutsche Außenpolitik und internationale Führung. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38097-deutsche-aussenpolitik-und-internationale-fuehrung_46402, veröffentlicht am 19.02.2015. Buch-Nr.: 46402 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken