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Ulrich Schneider

Mehr Mensch! Gegen die Ökonomisierung des Sozialen

Frankfurt a. M.: Westend Verlag 2014; 158 S.; brosch., 13,99 €; ISBN 978-3-86489-079-6
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, kritisiert in seinem Buch die vielen verschiedenen Facetten, in denen sich gegenwärtig in der Sozialpolitik eine neoliberale Markt‑, Wachstums‑ und Renditelogik manifestiert. Die Ökonomisierung, die durchgängig alle Politikfelder in Deutschland ergriffen hat (siehe auch Buch‑Nr. 46082, 14336), erscheint in der Sozialpolitik, in der es um Kinder‑ wie um Altenbetreuung, um Krankenhäuser wie um Pflegeheime, um haupt‑ wie um ehrenamtliche Tätigkeiten geht, als besonders empörend. Denn es handelt sich hier um einen zentralen gesellschaftlichen Für‑ und Daseinsvorsorgebereich: „Wohlfahrtspflege ist [...] alles andere als ein Nischenphänomen in dieser Gesellschaft.“ (21) Sie ist – ähnlich wie die Familien‑ oder Bildungspolitik – aus sich selbst heraus, anders als die Wirtschafts‑ und Finanzpolitik, nicht ökonomischen Logiken unterworfen oder sollte es dem ethischen Empfinden nach nicht sein. Die Würde des Menschen ist kein marktgängiges Gut. Schneider gelingt eine ausgewogene Diagnose zwischen „Ethik [und] Mammon“ (13), da er den „Trend des übergriffigen Ökonomismus“ (121) nicht pauschal verdammt, sondern die Notwendigkeit eines effektiven ebenso wie effizienten Mittelansatzes bei der Erreichung sozialpolitischer Ziele und Aufgaben anerkennt. Es geht ihm darum, die Grenzen ökonomischen Denkens klar zu markieren – was etwa nützt „Zahlenfetischismus“ (116) in Form von Kennziffern in der Pflege oder Noten in der Schule, wenn der Patient danach immer noch nicht hinreichend versorgt oder die Schülerin Inhalte vielleicht gelernt, aber nicht verstanden hat? Für die Politik sieht Schneider die Verantwortung, genau solche Fälle eines unnötigen, gar schädlichen Ökonomismus aufzuzeigen und ihn „in die Schranken zu verweisen“ (132), dort, wo die Würde des Menschen im Mittelpunkt zu stehen hat. Gewinnstreben, Egoismus und Gier haben da, so Schneider, keinen Platz. Und auch hinsichtlich der Alternative, die im Falle des Scheiterns politischen Gegensteuerns die weitere Ausbreitung des „neoliberalen Spiels“ bedeutet, wird Schneider sehr deutlich: „Eine Gesellschaft, die den Menschen mehr und mehr verdrängt und ihn nur noch als Kunden und Humankapital sieht, wird unmenschlich.“ (25) – Es ist mit den zahlreichen Alltagsbeispielen ein empörtes, ein mitunter gar wütendes Buch – jedoch auch ein engagiertes und ein wichtiges.
{LEM}
Rubrizierung: 2.342 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Ulrich Schneider: Mehr Mensch! Frankfurt a. M.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38071-mehr-mensch_46249, veröffentlicht am 12.02.2015. Buch-Nr.: 46249 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken