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Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.)

Archiv für Sozialgeschichte, Band 54 (2014)

Bonn: Verlag J. H. W. Dietz Nachfolger 2014; XV, 477 S.; Ln., 58,- €; ISBN 978-3-8012-4225-1
Das Archiv für Sozialgeschichte ist im Kreis der deutschsprachigen zeitgeschichtlichen Periodika, die den Grenzbereich zu anderen Disziplinen gerne überschreiten, sicherlich einmalig. Die Vorzüge dieser bewussten Trans‑, aber eben nicht Interdisziplinarität belegt dieser Band, dessen Rahmenthema die soziale Ungleichheit in West‑ und Mitteleuropa bildet. Hierzu zeigen die Autor_innen neue Aspekte im Hinblick auf das 19. und 20. Jahrhundert auf. Ganz unumwunden geben dabei Friedrich Lenger und Dietmar Süß im einleitenden Beitrag zu, dass das Interesse der Herausgeber kein genuin historisches ist. Vielmehr nehmen sie die Wirtschaftskrise und die Thesen des Wirtschaftswissenschaftlers Thomas Piketty zum Anlass einer Tour d'Horizon durch die historische Sozialforschung. Dabei stellen sie fest, dass soziale Ungleichheit als Forschungsvorhaben keineswegs mehr in eingängigen, gar unstreitigen Kategorien zu fassen ist. Ein „eindrückliches Bild der Suchbewegung innerhalb der Sozialwissenschaften“ (15) war am Anfang dieses Jahrtausends zu konstatieren. In Teilen schien die Beschäftigung mit Klassen und Schichten etwas in den Hintergrund gerückt zu sein, doch nach den ökonomischen Transformationen ist die Auseinandersetzung über „‚die soziale Ungleichheit‘ tatsächlich wieder da“ (24). Es bleibt indes die Unklarheit, mit welchen Kategorien diese sinnvollerweise erfasst wird. Auch in den weiteren Beiträgen bemühen die Autor_innen sich erst gar nicht um eine einheitliche Herangehensweise. In Anbetracht der thematischen Vielfalt der Texte ist das nun wiederum ausgesprochen anregend. So wird daran erinnert, welche Fragestellungen historisch von Interesse sein können (arme Frauen im Adel des 19. Jahrhunderts oder Klassenlandschaft im ländlichen Westfalen bis zur Reichsgründung) oder welche Lehren für künftige methodische Ansätze möglich sind, wenn man an gesellschaftliche Debatten erinnert, die im Zuge von Sozialforschungsvorhaben auch mal entstanden sind (Reichtum in Preußen). Schließlich wird deutlich, wie sehr einige historische Aspekte in die Gegenwart hineinragen (Mindestlohn, Bildungsbeteiligung oder Sozialschichtung in der transformierten Industriegesellschaft). Kurzum, neben den wie immer informativen Sammelrezensionen und Forschungsberichten findet sich ein wahres Potpourri dessen, womit sich gerade die kritische Sozialforschung im historischen wie im gegenwärtigen Kontext beschäftigen kann.
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Rubrizierung: 2.232.352.3112.3132.52.612.642.222.3312.2632.343 Empfohlene Zitierweise: Stephan Klecha, Rezension zu: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Archiv für Sozialgeschichte, Band 54 (2014) Bonn: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38026-archiv-fuer-sozialgeschichte-band-54-2014_46432, veröffentlicht am 29.01.2015. Buch-Nr.: 46432 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken