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Claudio Franzius

Recht und Politik in der transnationalen Konstellation

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2014 (Staatlichkeit im Wandel 22); 345 S.; kart., 39,90 €; ISBN 978-3-593-50202-1
Claudio Franzius konstatiert drei Grenzverschiebungen, die „Recht und Politik in der transnationalen Konstellation grundlegend wandeln“ (9): die von „privat“ und „öffentlich“, von „innen“ und „außen“ sowie das „Wechselspiel von territorialen und funktionalen Grenzen“ (12). Von diesem Befund aus ergebe sich, dass rechtliche Ordnungen zunehmend einer „Pluralisierung unterworfen [sind], die von der Vorstellung eines einheitlichen Legitimationssubjekts ebenso abstrahiert wie von einer einheitlichen Hoheitsgewalt“ (25). In Anlehnung unter anderem an Gunther Teubner („Rechtspluralismus“) zieht er hieraus die Konsequenz für die europäische Integration, die sich eben nicht mit dem Dualismus von Bundesstaat und Staatenbund beschreiben lasse, sondern nur mit einem „kollisionsrechtlichen Ansatz“ (15) im Sinne von „Mechanismen der Konfliktbearbeitung“ (171). Deshalb sei es weder sinnvoll, „eine demokratische Vorrang‑ oder Präferenzregel zugunsten des Staates anzunehmen“, noch wegen des formalen „Status private[r] Akteure [...diese] von demokratischen Anforderungen [...] freizustellen“ (17). In drei Abschnitten konkretisiert Franzius dann sein Konzept des „konstitutionellen Pluralismus“ (20) als „transnationale Demokratie“ (171), „transnationale Rechtsstaatlichkeit“ (226) und „transnationales Verwaltungsrecht“ (263) – gerade nicht jenseits des Nationalstaats, sondern gemeint ist die Durchdringung der Ebenen. Hinsichtlich der Legitimationsproblematik ergibt sich daher – ähnlich wie bei Habermas – die Sichtweise eines mehrpoligen Legitimationskontextes mit zudem wechselseitiger Einwirkung. Und auch im Mehrebenen‑Rechtsstaat kann es keine „letzten Worte“ geben – weder durch das Bundesverfassungsgericht noch den Europäischen Gerichtshof: Alle Gerichte sind in diesem Verbund Hüter einer gemeinsamen europäisch‑transnationalen Rechtsstaatlichkeit, die rechtspolitisch betrachtet für Franzius auf Vertrauen – so hier sein zentraler Begriff – basieren. Genau deshalb haben zum Beispiel (nationale) Gerichte angesichts der beschämenden Asyl‑Praxis ohne Weiteres die „supranationale“ Dublin II‑Verordnung fallweise zu Recht suspendieren und die Rücküberstellung von Flüchtlingen nach Griechenland als Erstaufnahmestaat aufheben können. Franzius postnationale Integrationstheorie lässt erfrischend die etatistischen und kollektivistischen Konzepte von Staat und Volk hinter sich, die in der Staatslehre und dem Bundesverfassungsgericht, aber auch in der deutschen Europarechtswissenschaft immer noch mehrheitlich vertreten werden.
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Rubrizierung: 2.24.434.13.13.6 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Claudio Franzius: Recht und Politik in der transnationalen Konstellation Frankfurt a. M./New York: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37994-recht-und-politik-in-der-transnationalen-konstellation_46297, veröffentlicht am 22.01.2015. Buch-Nr.: 46297 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken