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Christian Koller

Die Fremdenlegion. Kolonialismus, Söldnertum, Gewalt 1831-1962

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2013; 340 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-506-77563-4
Abenteurer, Heimatlose, Aussteiger, Kriminelle, von der Liebe Enttäuschte – sie alle fanden eine Heimat in der „légion étrangère“, der französischen Fremdenlegion. In ihr spiegelt sich durch die heterogene soziale, kulturelle und nationale Zusammensetzung die europäische Geschichte in all ihren Widersprüchen und Brüchen wider und sie wirkt so wie ein Panoptikum einer (noch) nicht erzählten kollektiven Erfahrung. Koller beschreibt die Geschichte der Fremdenlegion von 1831 bis 1962 als „einen Erfahrungsraum […], der seinen Mitgliedern gewisse von Nicht‑Mitgliedern signifikant differierende Erfahrungen verschaffte und sich entsprechend analysieren lässt.“ (9) Der Autor legt dabei Wert auf eine Perspektive „von unten“, aus den vielfältigen und antagonistischen Erfahrungen vieler ehemaliger Legionäre zeichnet er so ein faszinierendes Bild einer Truppe, die im Zeitalter von Nationalarmeen wie ein Anachronismus wirkte und trotzdem aktuell anmutet, denkt man an die Privatisierung von Kriegen. Die Legion, bis 1962 in Algerien beheimatet, war gleichzeitig ein außereuropäischer Erfahrungsraum, da sie ein wesentliches Instrument des Kolonialismus war – Legionäre definierten sich gegenüber den Einheimischen als zivilisierte Europäer. „Der ‚koloniale Blick‘ stereotypisierte nicht nur die Betrachteten, sondern ließ ex negativo auch die Betrachter näher zusammenrücken“ (214). Neben der kolonialen Erfahrung beschreibt Koller die „Identité“ und das Selbstverständnis der Legionäre, die – nirgendwo zu Hause – ihre Heimstatt und ihr Schicksal in der Legion fanden. Dankenswerterweise geht der Autor auf die inneren Strukturen der Legion ein und beschreibt den Alltag der Legionäre zwischen Hierarchie, Disziplin, Prostitution, Alkoholmissbrauch und Sexualität, wodurch sich ein vielschichtiges und abwechslungsreiches Bild ergibt. Diese Erfahrungen wirkten dann wieder auf die Legionäre zurück. Sie waren „zu Trägern einer für postkolonialen Gesellschaften typischen Transkulturalität geworden, die sich, zumeist mehr implizit als explizit, auch in ihren Selbstzeugnissen niederschlug.“ (215) Es handelt sich um ein wichtiges und aufschlussreiches Buch, dessen Lektüre nur empfohlen werden kann.
Fabrice Gireaud (FGI)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand und wiss. Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften und Philosophie, Universität Vechta.
Rubrizierung: 4.14.41 Empfohlene Zitierweise: Fabrice Gireaud, Rezension zu: Christian Koller: Die Fremdenlegion. Paderborn u. a.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37769-die-fremdenlegion_44948, veröffentlicht am 13.11.2014. Buch-Nr.: 44948 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken