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Hannah Rau

Strafrechtliche Vergangenheitsbewältigung am Beispiel Spanien

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2014 (Schriften der Deutsch-Brasilianischen Juristenvereinigung 43); LXI, 414 S.; ISBN 978-3-631-64974-9
Rechtswiss. Diss. Heidelberg; Begutachtung: T. Hillenkamp, G. Dannecker. – Wie kann das Recht einer Demokratie bei der Bewältigung des Unrechts einer vergangenen Diktatur helfen? Diese Frage beantwortet Hannah Rau, Referentin in der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amts, am Beispiel des strafrechtlichen Umgangs Spaniens mit der Franco‑Ära. Sie untersucht dazu nicht nur, wie das demokratische Spanien mit diesem Erbe verfährt, sondern wirft auch einen wesentlich weiter zurückgehenden Blick auf den Umgang der franquistischen Diktatur mit dem Spanischen Bürgerkrieg. Hierbei klärt die Autorin, ob und wie der Umgang der Diktatur mit dem Bürgerkrieg die strafrechtliche Vergangenheitsbewältigung des demokratischen Spaniens beeinflusst hat. Konkret versteht sie unter strafrechtlicher Vergangenheitsbewältigung die „Auseinandersetzung mit dem Unrecht des Vorgängerstaates durch eine juristische Reaktion des Nachfolgerstaates“ (5); diese kann unter anderem die Anwendung neueren Strafrechts auf einen vordemokratischen Sachverhalt, Ausgleichsmaßnahmen (Rehabilitierung und Entschädigung) und solche zur Wahrheitsfindung und Aufklärung umfassen. Zur besseren Analyse nimmt Rau zunächst eine Systematisierung der Ziele und Möglichkeiten strafrechtlicher Vergangenheitsbewältigung vor. Dabei wirft bereits die Anwendung des Strafrechts in Zusammenhang mit Bemühungen der Vergangenheitsbewältigung die Frage auf, ob Strafrecht hierfür überhaupt geeignet ist. Rau bejaht dieses, da für sie „Systemunrecht [...] zwar staatlich geschuldet, aber von Individuen begangen [wird]“ (21). Dieser Logik folgend, wirken strafrechtliche Maßnahmen im Sinne der Ziele der Prävention, Vergeltung und Sühne und können darüber hinaus einen Beitrag zur Schaffung kollektiver Erinnerungen leisten und damit bei der Bewältigung von Systemunrecht helfen. Der Umgang des Franco‑Regimes mit der Vergangenheit diente vor allem der Eigenlegitimation und fiel daher eindeutig zugunsten der Sieger des Bürgerkrieges aus, so lautet ein Ergebnis dieser Arbeit. Demnach ist er nicht als strafrechtliche Vergangenheitsbewältigung, sondern vielmehr als „Instrumentalisierung der Vergangenheit, bei der neues Unrecht geschaffen wurde“ (211), zu verstehen. Gegensätzlich hierzu verhält es sich dann im demokratischen Spanien, dessen strafrechtliche Vergangenheitsbewältigung – symbolisiert durch Regelungen wie etwa das Amnestiegesetz von 1977 – vom „Wunsch nach nationaler Aussöhnung“ (407) bei gleichzeitiger Abgrenzung vom Umgang der Diktatur mit der Vergangenheit geprägt ist und weniger durch eine strafrechtliche Aufarbeitung der Verbrechen während des Franco‑Regimes. Damit handele es sich vor allem um die „Bewältigung der Vergangenheitspolitik der Diktatur“ (411) durch eine Demokratie.
Christian Patz (CPA)
M.A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften, Fachbereich Politikwissenschaft, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Rubrizierung: 2.612.23 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Hannah Rau: Strafrechtliche Vergangenheitsbewältigung am Beispiel Spanien Frankfurt a. M. u. a.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37649-strafrechtliche-vergangenheitsbewaeltigung-am-beispiel-spanien_45830, veröffentlicht am 09.10.2014. Buch-Nr.: 45830 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken