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Dietmar Klumpp

Transformation von Rechtssystemen in Brasilien. Alternative Normensysteme und Rechtssystemwechsel in den Favelas von Rio de Janeiro

Wiesbaden: Springer VS 2014 (Politik in Afrika, Asien und Lateinamerika); 396 S.; 49,99 €; ISBN 978-3-658-05339-0
Politikwiss. Diss. Würzburg; Begutachtung: H.‑J. Lauth. – Dietmar Klumpp geht – basierend auf dem Konzept der defekten Demokratie – der Frage nach, wie sich in „illegalen Armutssiedlungen in den großen Städten Brasiliens“ (12) Rechtsstrukturen herausgebildet haben. Diese hätten zwar einerseits die vielerorts bestehende Rechtsfreiheit beendet, stünden dafür aber potenziell in Konkurrenz zur staatlichen Rechtsprechung. „Das grundlegende Interesse und die Relevanz der Arbeit besteht somit darin, jene rechtsfreien Räume zu erkennen, zu untersuchen und die Ursachen herauszuarbeiten, die für deren Entstehung und Entwicklung prägend sind.“ (13) So spannend und relevant dieses Vorhaben auch ist, so hätte doch die dichotomische Unterscheidung von Rechtsgeltung und dem Fehlen von Recht, wie Klumpp sie im thematischen Aufriss seiner Arbeit vorstellt, etwas zurückhaltender formuliert werden müssen. Denn im Kern gibt es in den seltensten Fällen eine völlige Abwesenheit von Normen – vielmehr überlagen sich in jeder sozialen und politischen Situation diverse Normensysteme unterschiedlicher Reichweite und Provenienz. Anhand verschiedener Fallstudien von Favelas in Rio de Janeiro evaluiert Klumpp ausführlich die verschiedenen denkbaren Verhältnisebenen von zentralstaatlich legitimierten und lokal generierten Normensystemen, die von paralleler Existenz bis hin zu konkurrierenden Geltungsansprüchen reichen. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen zeigen unter anderem, dass sowohl sozial schwache und von Armut und Exklusion betroffene Gruppen als auch Teile der indigenen Bevölkerung in besonders hohem Maße dazu neigen, eigene, alternative Normsysteme hervorzubringen. Gerade bei den Teilen der Bevölkerung also, die in hohem Maße der Integration durch Recht und Rechtssicherheit bedürftig wären, fehlt diese zu häufig. Dass sich derlei abwesende Bindewirkung in nationalstaatlicher Perspektive nicht förderlich auf die Qualität demokratischer Verfahren und Institutionen auswirkt, verwundert dann kaum.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.652.212.222.25 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Dietmar Klumpp: Transformation von Rechtssystemen in Brasilien. Wiesbaden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37591-transformation-von-rechtssystemen-in-brasilien_45944, veröffentlicht am 25.09.2014. Buch-Nr.: 45944 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken