Skip to main content
Christoph Menke / Juliane Rebentisch (Hrsg.)

Kreation und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus

Berlin: Kulturverlag Kadmos 2012; 253 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-86599-174-4
Alain Ehrenberg zufolge ist das für die Depression konstitutive Gefühl, an sich selbst zu scheitern, „Ausdruck des Dilemmas, der Spannungen und Widersprüche einer Lebensweise, für die Autonomie zum höchsten Wert geworden ist“ (54) und damit essentieller Bestandteil unserer kapitalistischen Lebenswelt. Demnach erfahren wir im zeitgenössischen Kapitalismus die paradoxe Doppelbewegung einer sich scheinbar immer weiter ausdehnenden Freiheit und der sich parallel steigernden Individualisierung sowie damit Entfremdung von sinnstiftenden Sozialbeziehungen. Diesem Zusammenhang gehen die Autoren dieses Bandes auf die Spur, indem sie einschlägige Positionen zur zeitdiagnostischen Analyse und deren Weiterentwicklung an aktuellen Fragen darlegen. Als Impulsgeber der Debatte stehen beispielsweise Gilles Deleuzes Überlegungen zum Paradigma der Kontrollgesellschaft zur Verfügung, in der das marktwirtschaftliche Kalkül selbst als Herrschaftstechnik fungiert, oder Luc Boltanskis und Ève Chiapellos Ausführungen über den gewandelten Geist des Kapitalismus und die Konsequenzen für normative Kritik. Auch Axel Honneth macht unter anderem deutlich, dass sich „das Ideal der Selbstverwirklichung zur Ideologie und Produktivkraft eines deregulierten Wirtschaftssystems entwickelt“ (76) hat. Dass somit ein notwendiger Zusammenhang besteht zwischen der systemischen Logik des Kapitalismus und unserer subjektiven Lebensführung, gilt auch als Ausgangspunkt der Analysen des zweiten Teils des Bandes, der sich kleinteiliger mit Formen der Freiheit und ihrem Ausdruck in kreativer Subjektivität (zum Beispiel Ulrich Bröckling) oder der Kunst (zum Beispiel Dieter Thomä) befasst. In all diesen Beiträgen wird trotz ihrer vielfältigen philosophischen, soziologischen oder kulturtheoretischen Perspektiven immer wieder die Rückkopplung der Phänomene an ihren strukturellen Ursprung angestrebt, also an die Ökonomie. Deren Determinationspotenzial bis in die Subjekte selbst und vor allem deren allumfassende Ausdehnung kommt dabei in ihren verschiedenen Aspekten in den Blick und wird am Ende von René Pollesch auf den Punkt gebracht: „Wir sind alle gleich in unserem abwegigen Leben, nur da sind wir alle gleich.“ (247)
Alexander Struwe (AST)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 5.422.23 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Christoph Menke / Juliane Rebentisch (Hrsg.): Kreation und Depression. Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37536-kreation-und-depression_43512, veröffentlicht am 18.09.2014. Buch-Nr.: 43512 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken