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Michael Hagner (Hrsg.)

Wissenschaft und Demokratie

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2012 (edition unseld 47); 285 S.; 16,- €; ISBN 978-3-518-26047-0
„Wissenschaft mag also nicht unbedingt demokratisch strukturiert sein, aber sie ist für die Demokratie unverzichtbar“, fasst Michael Hagner einen wichtigen Aspekt mit Blick auf das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Demokratie zusammen. Demnach kann humane Wissenschaft nur in einem demokratisch verfassten Staat existieren. Der zweite immanente Betrachtungsaspekt dieses Verhältnisses liegt in der Auffassung, dass Wissenschaft die Demokratie mithilfe der Ressource „Wissen“ unterstützen soll und „zum eigenständigen, kritischen Denken führt“ (11). Die damit in Verbindung stehenden Implikationen und neuen Gegebenheiten werden in den (qualitativ leicht variierenden) Beiträgen dieses Bandes, die größtenteils auf Vorträgen der Tagung „Science and Democracy“ der ETH Zürich im Mai 2011 basieren, aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und Denktraditionen – Medizin, Soziologie, Philosophie, Geschichte, Wissenschaftsforschung und Kulturwissenschaften – betrachtet. Michael Hagner geht in seinem einleitenden und beeindruckenden Beitrag auf die Herausforderungen und Probleme einer verstärkten Ökonomisierung der Wissenschaft ein – bis hin zu der weitreichenden Frage, ob die demokratische Pluralität des Wissens, der Autoritätsverlust der Wissenschaft durch Marketingstrategien und die Herausbildung des Primats des Ökonomischen dazu führen, dass Demokratie an sich „sogar ein Hindernis für die Forschung darstellt“ (13). Während sich Michael D. Gordin mit der generellen Frage der Abgrenzung zwischen wissenschaftlichen und nicht‑wissenschaftlichen Aussagen im historischen Verlauf beschäftigt, kritisiert Roger Cooter die „unabänderliche Gegenwartszentrierung“ (111) der Neurowissenschaften bei gleichzeitiger Delegitimierung geisteswissenschaftlicher Forschung. Damit schließt er an Hagners Einschätzung an, „dass die Präferenz einer kommerziell verwertbaren Forschung dazu führt, andere Forschungszweige zu vernachlässigen, die womöglich von größerem gesellschaftlichen Nutzen wären, aber kommerziell nicht attraktiv sind“ (12). Petra Gehring nimmt sich der Frage an, ob Bioethik eine Chance für einen erweiterten demokratischen Diskurs ist oder nur eine Biopolitik auf der „moralischen Überholspur“ (139) nach sich zieht. Bruno Latour und Philip Kitcher gehen auf die Klimakrise ein, insbesondere auf die Frage, wie dieser überhaupt Aufmerksamkeit zugesprochen werden kann und wie unterschiedlich die öffentliche Debatte zurzeit strukturiert ist – beispielweise in Bezug auf mögliche klimatische Folgen der Erderwärmung. Nikolas Rose schließt den Bogen zu Hagners einleitendem Beitrag, indem er festhält, dass Wissenschaft immer mehr legitimierungsbedürftig gegenüber anderen Einflussfaktoren in der Demokratie geworden ist.
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Rubrizierung: 5.2 | 2.2 Empfohlene Zitierweise: Christian Heuser, Rezension zu: Michael Hagner (Hrsg.): Wissenschaft und Demokratie Frankfurt a. M.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37447-wissenschaft-und-demokratie_43143, veröffentlicht am 28.08.2014. Buch-Nr.: 43143 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken