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Anke Fiedler

Medienlenkung in der DDR

Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2014 (Zeithistorische Studien 52); 496 S.; 59,90 €; ISBN 978-3-412-21055-7
Diss. München; Begutachtung: M. Meyen. – Selten wird eine Dissertation so explizit als Widerspruch zu einem Autor geschrieben wie in diesem Fall: Anke Fiedler kritisiert die Publikationen von Gunter Holzweißig zum Mediensystem der DDR als voreingenommen, nicht ausreichend belegt und in der Sache mehr oder wenig falsch. In ihrem „Gegenentwurf“ (10) geht die Autorin nicht von Propagandatheorien aus, die ihrer Ansicht nach eher den Blick verstellen als ihn auf die Details zulassen. Sie fasst ihren Untersuchungsgegenstand als „‚politische Öffentlichkeitsarbeit‘“ (13) und zieht zur Erklärung den Ansatz vom „Differenzmanagement zwischen Fakt und Fiktion“ (43) nach Klaus Mertens heran. Die dann insgesamt sehr (hinsichtlich der allgemeinen Geschichte bisweilen zu) umfassende Darstellung mit Schwerpunkt auf die Printmedien basiert auf der gründlichen Auswertung von Literatur wie Akten, außerdem hat Fiedler 31 Interviews mit ehemaligen DDR‑Redakteuren und Funktionären geführt, deren Aussagen gerne ausführlicher hätten dargestellt werden können. Bei den knappen biografischen Angaben fehlt zudem der Hinweis, dass der interviewte Peter Mugay als IM tätig war. Historischer Ausgangspunkt der Analyse ist die Zeit der Weimarer Republik, wurde doch die Medienlenkung in der DDR nicht neu erfunden – ihre Akteure, allen voran Erich Honecker, konnten auf damalige erste journalistische Erfahrungen zurückgreifen. Verbunden damit war von Anfang das Selbstverständnis, nicht als unabhängiger Journalist zu arbeiten, sondern eine konkrete politische Absicht zu verfolgen. Fiedler erläutert die entsprechende Entwicklung des Medienlenkungsapparates und die Rolle der Leitmedien, vor allem die des Neuen Deutschlands (ND), dessen Funktion als Verlautbarungsorgan der Parteispitze allgemein so auch wahrgenommen wurde. Weitere Informationen beziehen sich auf die Journalistenausbildung – mit der eine in das System eingepasste Gruppe geformt wurde – sowie auf die Staatssicherheit, ferner wird der Einfluss der Westmedien durchgängig thematisiert. Einen großen Teil der Untersuchung nimmt die chronologische Darstellung der rigiden Lenkung ein, die die Medien sich von der Realität immer weiter entfernen ließ – den Zuständen im Land, über die sich die Bürger in Leserbriefen und Eingaben kritisch äußerten, wurde mit bewusster (Medien‑)Blindheit begegnet. Zugleich galt es vor allem den in den 1980er‑Jahren schwierigen Spagat zu meistern, sich vom Westen abzugrenzen, ohne diesen (etwa als Kreditgeber) zu sehr zu verärgern. Grundsätzlich zielte die Medienlenkung immer darauf, über ausgewählte Informationen die DDR in einem möglichst positiven Licht erscheinen zu lassen. Diese Selbstdarstellung war offenbar so erfolgreich, so der Eindruck, dass niemand das Ende der DDR vorhersah.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Anke Fiedler: Medienlenkung in der DDR Köln/Weimar/Wien: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37388-medienlenkung-in-der-ddr_45744, veröffentlicht am 07.08.2014. Buch-Nr.: 45744 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken