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Ingo Zimmermann

Zwischen Marx und Moderne. Grundlagen einer Kritischen Theorie und Praxis Sozialer Arbeit

Essen: Die Blaue Eule 2012 (Kritische Theorie und Kritische Praxis 1); 241 S.; 29,- €; ISBN 978-3-89924-355-0
Kritische Theorie in der Sozialen Arbeit – die Ingo Zimmermann hier in einer geistesgeschichtlichen Grundlegung vom Deutschen Idealismus bis in die Gegenwart hinein zu entwerfen versucht – ist vor allem zweierlei: Zum einen soll sie in Krisenzeiten, in denen etablierte Erklärungs‑ und Sinnstiftungsmuster der liberalen Aufklärung an ihre Grenzen kommen, als Kritikerin eben jener spezifischen, okzidentalen Rationalität dienen. Zum anderen geht es ihr ganz konkret um die Neuverhandlung des Verhältnisses von Sozialarbeiter_innen und ihrer Klientel. Statt dem „Zurichtungsimperativ“ (13) der Profession zu folgen, gelte es, im Sinne einer gegenhegemonialen Strategie praktische Alternativen zur gegenwärtig als alternativlos apostrophierten neoliberalen Verwertungsideologie zu entwickeln: „Soziale Arbeit erweist sich dahingehend tatsächlich als aktivierende Praxis, nicht im Sinne eines neoliberal gefärbten und im Sozialgesetzbuch festgelegten Fördern und Forderns, sondern aktivierend in der Weise, im Schulterschluss mit ihrer Klientel nicht nur Strategien zu deren Wohlbefinden, sondern auch zur Veränderung gesellschaftlicher und politischer Missstände zu entwickeln.“ (227) Einige der Aspekte und Diagnosen Zimmermanns im Zusammenhang mit der zunehmenden Ökonomisierung der Gegenwart weisen spannende Parallelen zur Gouvernementalitätstheorie Michel Foucaults auf, die dieser nie auf die soziale Arbeit angewandt hatte – wohl aber auf Gefängnisse, Kliniken oder die Psychiatrie. Was soweit, insbesondere auch in der ideengeschichtlichen Tiefenschärfe, als spannende und luzide Kritik an der zuletzt prominent in der Postdemokratiedebatte kritisierten Hegemonie des Neoliberalismus erscheint, ist hinsichtlich der tatsächlichen Umsetzbarkeit nur schwach ausgeprägt. Ob und inwiefern das eine Kritik ist, der sich dieses Buch, das für sich selbst ja primär das Kritisieren etablierter und das Formulieren und Durchdenken alternativer Praktiken reklamiert, ausgesetzt sehen muss, ist eine andere Frage.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.15.335.455.42 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Ingo Zimmermann: Zwischen Marx und Moderne. Essen: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37279-zwischen-marx-und-moderne_45604, veröffentlicht am 10.07.2014. Buch-Nr.: 45604 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken