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Alain-G. Gagnon

Das Zeitalter der Ungewissheiten. Essays über Föderalismus und nationale Diversität

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Schriftenreihe des Europäischen Zentrums für Föderalismus-Forschung Tübingen (EZFF) 42); 217 S.; 44,- €; ISBN 978-3-8487-0708-9
Ein in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Ländern zu beobachtendes Phänomen ist das Streben nationaler Minderheiten – wie der Québécois in Kanada oder der Katalanen in Spanien – nach mehr Selbstbestimmung. Mit der Übersetzung wichtiger Aufsätze von Alain‑Gustave Gagnon ist dem deutschen Publikum nach Will Kymlicka, Charles Taylor und James Tully nun ein weiterer kanadischer Philosoph zugänglich, der sich des Themas annimmt. Er prognostiziert eine neue Welle der Nationalstaatenbildung in dem von ihm so bezeichneten „Zeitalter der Ungewissheiten“ (31), in dem sich Minderheiten vor den uniformierenden Tendenzen der Globalisierung und den Assimilierungsversuchen innerhalb des Staates schützen müssten. Den Grund hierfür sieht er darin, dass die Mehrheitsnationen bisher kaum angemessene Antworten auf die Unabhängigkeitsbewegungen der nationalen Minderheiten gefunden haben, sondern versuchen, ihren Einheitswillen durchzusetzen. Für ihn sind die Konflikte zwischen Mehrheit und Minderheit verständliche Reaktionen auf die Verweigerung der nationalen Mehrheit, der Forderung nach Anerkennung der nationalen Identität der Minderheit nachzukommen. In mehreren Kapiteln vertieft Gagnon die Anliegen der und den Umgang mit nationalen Minderheiten, wobei Spanien und Kanada immer wieder als im Vergleich zur Schweiz kritisch betrachtete Beispiele herangezogen werden. Ein multinationaler Föderalismus wird dabei von Gagnon als das Ideal befürwortet, um ein Gleichgewicht zwischen den berechtigten, aber teils konfligierenden Interessen von nationaler Mehrheit und Minderheit herzustellen. Voraussetzung für das Gelingen eines föderalen Staates seien eine föderale Kultur und die Weitsicht der Mehrheitsnation, die föderale Struktur als im eigenen Interesse zu begreifen. Um die Spannungen zwischen Einheit und Freiheit miteinander zu versöhnen, entwirft Gagnon abschließend mit einer Politik des richtigen Maßes, der Würde und der Hospitalität, die zu einer interkulturellen Politik mit einem aktiven Austausch zwischen den Gruppen führe, ein recht idealistisches Bild. Insgesamt sind die Beiträge durchgängig gut lesbar und insbesondere die instruktive Verbindung von empirischen Beispielen mit normativen Überlegungen ist hervorzuheben.
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.412.22.212.612.64 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Alain-G. Gagnon: Das Zeitalter der Ungewissheiten. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37163-das-zeitalter-der-ungewissheiten_45463, veröffentlicht am 05.06.2014. Buch-Nr.: 45463 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken