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Martin Baumann / Frank Neubert (Hrsg.)

Religionspolitik – Öffentlichkeit – Wissenschaft. Studien zur Neuformierung von Religion in der Gegenwart

Zürich: Pano Verlag 2010 (Cult u Rel: Religionswissenschaftliche Forschungen 1); 353 S.; 39,- €; ISBN 978-3-290-22007-5
Die Inthronisation des Individuums und eine auf rationalen, legitimationsbedürftigen Argumenten beruhende politische Ordnung sind wesentliche Kennzeichen der Moderne. Vernunft und Religion werden daher seit der Aufklärung von vielen als Gegensätze gedacht, dennoch hat die Religion trotz eines nicht zu leugnenden Säkularisierungsprozesses weiterhin eine gewichtige Stellung sowohl im Leben vieler Individuen als auch in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit inne. Der Sammelband vereint im Wesentlichen Beiträge, die auf die Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Religionswissenschaft im Oktober 2008 sowie auf Vorträge aus einer interdisziplinären Ringvorlesung im Herbstsemester 2009 in Luzern zurückgehen. Dabei stehen drei Themenbereiche im Blickpunkt. Im ersten Teil werden neue religionspolitische Herausforderungen angesprochen. So fragt Antonius Liedhegener nach der Relation von Politik und Religion in der EU und spürt durch die In‑Beziehung‑Setzung neuerer Forschungsergebnisse den Ursachen nach, die zu dem konfliktreichen Spannungsverhältnis geführt haben. Dabei stellt er heraus, dass die „Mitgliedsländer der Europäischen Union bereit und entschlossen waren, den Religionsgemeinschaften einen verfassungsmäßigen Rang in der EU zuzuschreiben“ und sich im geltenden Primärrecht „erstmals spezifisch religionsrechtliche Regelungen finden“ (72). Entsprechend charakterisiert er die Haltung der EU gegenüber den Religionsgemeinschaften als kooperativ, wenngleich der Präambelstreit zugunsten von Säkularisten entschieden worden sei. Zweitens wird das Verhältnis von Religion und Öffentlichkeit thematisiert. Samuel Behloul weist anhand von ausgewählten Beispielen aus dem Schweizer Islam‑Diskurs (Minarett‑Initiative, Abstimmung über Einbürgerungs‑ und Kirchenvorlagen) auf Aspekte hin, die er für das westliche Religions‑ und Öffentlichkeitsverständnis als charakteristisch ansieht. Behloul setzt diese Aspekte dann in Beziehung zum Konzept der „Public Religions“ (127) von José Casanova. Wie sich die Religion im Spannungsfeld von Säkularismus und Wissenschaft positioniert, wird im dritten Teil gefragt. Am Beispiel von Hare Krishna zeigt Frank Neubert, wie religiöse Bewegungen bewusst (natur‑)wissenschaftliches Vokabular verwenden, um ihre Lehre als wissenschaftlich darzustellen. Diese Edition ist nicht nur für Theolog_innen interessant, sondern sollte wegen der dezidiert politischen und sozialen Fragestellungen auch bei Politikwissenschaftler_innen und Soziolog_innen Beachtung finden.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.232.612.5 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Martin Baumann / Frank Neubert (Hrsg.): Religionspolitik – Öffentlichkeit – Wissenschaft. Zürich: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37101-religionspolitik--oeffentlichkeit--wissenschaft_45268, veröffentlicht am 22.05.2014. Buch-Nr.: 45268 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken