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Fessum Ghirmazion

Im Spannungsfeld von Restriktion und Öffnung. Die Frage der Arbeitnehmerfreizügigkeit im EU-Osterweiterungsprozess – Deutschland und Großbritannien im Vergleich

Berlin: Lit 2013 (Studien zu Migration und Minderheiten 25); XIV, 422 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-643-12030-4
Diss. Marburg; Begutachtung: T. Noetzel, K. Schönwälder. – Im Mai 2004 traten zehn Länder der Europäischen Union bei. Dem war ein langjähriger Verhandlungsprozess vorausgegangen, bei dem sich die Frage der Arbeitnehmerfreizügigkeit (AFZ) als besonders sensibler Punkt herausgestellt hatte. Zwei Meinungen standen sich diametral entgegen: Während sich einige Länder – wie Großbritannien – für die sofortige Gewährung des AFZ‑Rechts einsetzten, zeigten sich andere – wie Deutschland – nicht gleich bereit, ihre Arbeitsmärkte zu öffnen. Fessum Ghirmazion fragt am Beispiel dieser beiden Staaten nach den Gründen dafür, dass sich die Argumente so sehr unterschieden. Beide Länder befürworteten die Erweiterung grundsätzlich, die Bundesrepublik habe gar zu den „engagiertesten Vorreitern“ (343) gezählt, denn sie sei daran interessiert gewesen, ihre unmittelbaren Nachbarländer einzubinden und habe sich einen Machtzuwachs erhofft. Die britische Regierung sei davon ausgegangen, dass die von Frankreich und Deutschland favorisierte politische Vertiefung der EU mit einer Erweiterung um zehn Staaten nicht kompatibel sein werde und sich so lediglich eine ökonomische Erweiterung, aber keine Vertiefung entwickle. Im Gegensatz zu Großbritannien sei die Wirtschafts‑ und Arbeitsmarktlage in Deutschland ungünstig gewesen, das habe die Ängste der Bevölkerung vor der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt befördert. Zusätzlich sei befürchtet worden, dass die Unternehmen ihre Betriebe aus Deutschland in die neuen EU‑Mitgliedsländer verlagern könnten. Vor allem der Deutsche Gewerkschaftsbund habe schon früh begonnen, seine Kritik an der AFZ zu formulieren, er habe einen „bestimmenden“ (256) Einfluss auf die Position der Bundesregierung und die Mehrheit des Deutschen Bundestages ausgeübt. In Großbritannien hingegen plädierten die Sozialpartner und entsprechend die Parlamentsfraktionen für die sofortige Einführung der AFZ. In Deutschland seien die Rahmenbedingungen für eine Arbeitsmarktöffnung nicht gegeben gewesen, so Ghirmazion: „Die Migrationsprognosen waren zu hoch, die ökonomische Situation zu schlecht und die Bevölkerung dagegen. Im Gegensatz zur Bundesrepublik erwartete Großbritannien nur eine marginale EU‑8‑Zuwanderung, die außerdem der Arbeitsmarkt aufgrund der starken Ökonomie aufgesogen hätte.“ (362) Die positive Wirtschaftsentwicklung im Vereinigten Königreich sieht der Autor als Hauptgrund für das Verhalten der Blair‑Regierung.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 3.52.612.3422.2622.222.331 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Fessum Ghirmazion: Im Spannungsfeld von Restriktion und Öffnung. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37000-im-spannungsfeld-von-restriktion-und-oeffnung_44871, veröffentlicht am 24.04.2014. Buch-Nr.: 44871 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken