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Fritz Reheis

Politische Bildung. Eine kritische Einführung

Wiesbaden: Springer VS 2014; 158 S.; 14,99 €; ISBN 978-3-658-02647-9
Fritz Reheis verbindet mit dieser Einführung den Anspruch, das Widerstandspotenzial der politischen Bildung zu stärken, denn für ihn ist die Ausgangslage dramatisch: Nicht nur besteht der bekannte Widerspruch zwischen der allseits anerkannten Notwendigkeit politischer Bildung und deren eklatanter Unterfinanzierung. Darüber hinaus ist die Demokratie durch die Forderung nach „Marktkonformität“ bedroht. „Gegen solche Zumutungen wird Widerstand zur Pflicht, auch und gerade für die politische Bildung. Immerhin geht es um nichts Geringeres als die Abwendung des Versuchs der Unterordnung der Demokratie unter den Markt.“ (9) Reheis entwirft die Grundzüge einer politischen Bildung, die ein Denken in Möglichkeiten und Utopien zulässt, statt sich in scheinbar alternativlose Gegebenheiten zu fügen. Hierzu wählt der Autor ein systematisches Vorgehen, wie es Lehrbüchern gut zu Gesicht steht. Er entfaltet seinen (weiten) Politikbegriff ebenso wie seinen ganzheitlichen Bildungsbegriff und führt diese Begriffe in einem Verständnis politischer Bildung zusammen, das sich klar von den zurzeit mit einiger Vehemenz diskutierten Kompetenzbegriffen des politikdidaktischen Mainstreams abgrenzt. Er kritisiert an den Kompetenzmodellen der Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend‑ und Erwachsenenbildung (GPJE), dem Kompetenzmodell von Massing, Richter und Weißeno sowie dem Modell von Reinhardt deren mangelnde inhaltliche Ausrichtung: „Gesellschaftsdiagnostische oder gar ideologiekritische Begründungen für die geforderten Kompetenzen finden sich bei diesen Autoren nicht.“ (70) Damit bestehe die Gefahr einer Überbetonung kognitiver Kompetenzen zulasten der affektiven und praktischen Seite der politischen Bildung. Dem stellt Reheis das Kompetenzmodell von Oskar Negt entgegen, da dieses den Kompetenzbegriff inhaltlich füllt und so nicht nur der „Wirklichkeits‑, sondern auch der Möglichkeitssinn“ (73) geschärft wird. In Abgrenzung zur Politikdidaktik ist ihm nicht nur die Anschlussfähigkeit an die Fachwissenschaften, sondern ebenso an das Subjekt in seiner Ganzheitlichkeit wichtig. Diese doppelte Perspektive auf das Objekt und das Subjekt politischer Bildung bildet das Grundgerüst für die Analyse möglicher Themenfelder im Sinne einer echten pluralen Demokratie, in der sich Alternativen zu bestehenden Verhältnissen denken lassen. Die Aufbereitung dieser möglichen Themenfelder (Gesellschaft und Ungleichheit, Wirtschaft und Staat, Europa und die Welt, Friede und Umwelt, politische Grundströmungen) ist auf die Praxis der politischen Bildung bezogen und liefert so Anregungen für die Gestaltung von Bildungsprozessen.
Sonja Borski (SBO)
Dipl.-Politologin, wiss. Mitarbeiterin. Institut für Politikwissenschaft, Zentrum für die Didaktiken der Sozialwissenschaft, Universität Bremen.
Rubrizierung: 2.35 Empfohlene Zitierweise: Sonja Borski, Rezension zu: Fritz Reheis: Politische Bildung. Wiesbaden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36967-politische-bildung_45411, veröffentlicht am 10.04.2014. Buch-Nr.: 45411 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken