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Ulrike Weichert

"Von der Geschichte zur Natur" – Die Politische Hermeneutik von Leo Strauss

Berlin: Duncker & Humblot 2013 (Philosophische Schriften 81); 375 S.; 79,90 €; ISBN 978-3-428-14162-3
Diss. TU Berlin; Begutachtung: N. Bolz, M. Städtler. – „It is to understand Socrates“, formuliert Leo Strauss in „Natural Right and History“ in aller Klarheit, und in dieser Perspektive hat die Autorin ihre in den Medienwissenschaften eingereichte Dissertation verfasst. „Gerade im Hinblick auf die vielen Platon‑Interpretationen“ (32) stellt Ulrike Weichert also Leo Strauss als einen politischen Philosophen vor, der in den „Querelles des Anciens et des Modernes“ jenseits des neuzeitlichen Historismus antikes Ordnungsdenken in seiner politischen Substanz freizulegen sucht und dabei aus der Originalität der Alten das Verhältnis von Wahrheitssuche und weltlichem Erscheinungsraum, von Philosophie und Politik thematisiert. Ausgehend von der „Krise des Westens“ (36 ff.) und Carl Schmitts Begriff des Politischen analysiert sie „Das Politische als Gegenstand und Modus der Philosophie“ (105 ff.), um über die „Politische Rhetorik“ (126 ff.) das Verhältnis von „Schriftlichkeit und Philosophie“ (173 ff.) zu erörtern. Was veranlasst einen politischen Philosophen, der Denk‑ und Sprechfreundschaften pflegt, zur scheinbar herabwürdigenden Tätigkeit des Schreibens? Anlässlich von Leo Strauss’ Aufsatz „Persecution and the Art of Writing“ greift die Verfasserin das eingangs intonierte „Spannungsverhältnis zwischen Philosophie und dem Gemeinwesen“ (222) wieder auf und entwickelt von dorther Strauss’ politische Hermeneutik, die sie mit Heinrich Meier als eine Begegnung verwandter Naturen versteht. Gegen Gadamers Verständnis einer Horizontverschmelzung, in der das eigene Verstehen stets wirkungsgeschichtlich vorgeprägt ist, fordert Strauss eine größtmögliche Anstrengungsbereitschaft des Interpreten ein, die originäre Intention des Autors zu verstehen, um möglichst mit den Augen des geistigen Urhebers zu sehen und sich selbst auf den bisweilen auch demütigenden Nachvollzug der Denkbewegungen des Autors einzulassen. Alles Historisierende und Zeitbedingte verblasst so für Freunde der Wahrheit vor dem philosophischen Kern überzeitlicher Wahrheiten, die – nach Strauss – ohnehin stets von gesellschaftlich bedingten Meinungen überlagert und verdeckt werden. Der medienwissenschaftliche Fokus richtet sich vor dem Hintergrund dieser Strauss’schen Überlegungen klugerweise darauf, ob und inwiefern es in modernen Demokratien „intellektueller Mediatoren“ (317) bedarf.
Karl-Heinz Breier (KHB)
Prof. Dr., Institut für Sozialwissenschaften und Philosophie, Universität Vechta.
Rubrizierung: 5.46 Empfohlene Zitierweise: Karl-Heinz Breier, Rezension zu: Ulrike Weichert: "Von der Geschichte zur Natur" – Die Politische Hermeneutik von Leo Strauss Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36931-von-der-geschichte-zur-natur--die-politische-hermeneutik-von-leo-strauss_45227, veröffentlicht am 03.04.2014. Buch-Nr.: 45227 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken