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Susanne Martin

Denken im Widerspruch. Theorie und Praxis nonkonformistischer Intellektueller

Münster: Westfälisches Dampfboot 2013; 262 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-89691-946-5
Diss. Frankfurt a. M.; Begutachtung: C. Resch, A. Demirovi?. – Folgt man Susanne Martin, sind Intellektuelle heutzutage vor allem als Medienintellektuelle zu beschreiben: Sie treten in Talkshows auf oder publizieren viele meist unkritische Texte in den Feuilletons. Diese Form von Intellektualität möchte Martin aber nicht ohne Weiteres akzeptieren. In ihrem Buch versucht sie daher die Denkform der Reflexivität wieder stärker in den Fokus intellektueller Arbeit zu rücken, die sie über die Analyse der Werke und Biografien von Theodor W. Adorno, Jean Améry und Günther Anders definiert. Besonders zwei Kennzeichen sind hervorzuheben, wobei die Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle als Intellektueller in der Gesellschaft den ersten Ausgangspunkt bildet. Bei den drei erwähnten Autoren geschah das sowohl über die Erfahrung der eigenen Machtlosigkeit im Angesicht des Nationalsozialismus in Deutschland als auch über ihre kritische Haltung gegenüber der Aufklärung. Letztere führt nicht nur zu Fortschritt und Befreiung, sondern ist immer mit der Entwicklung von Herrschaftsverhältnissen verbunden, die es zu begreifen gilt. Als zweites beschreibt diese Denkform allerdings auch den Bezug zur eigenen Arbeit der drei Intellektuellen, die sich selbst und ihre Sprecherpositionen in der Gesellschaft immer mit in ihre Kritik einbezogen haben. Theorien müssen stets erst historisiert und in ihrem Entstehungskontext betrachtet werden, bevor ihre Anwendung für die Gegenwart geprüft werden kann. Diese Vorgehensweise erhebt die Autorin in diesem Buch auch selbst zu ihrer Methode. Der Intellektualismus von Adorno, Améry und Anders kann daher heute nicht einfach nachgeahmt werden, da der gesellschaftliche Kontext ein völlig anderer ist. Ihre Denkform der Reflexivität sollte aber keinesfalls leichtfertig verworfen und preisgegeben werden. Martin argumentiert sehr sorgfältig und bietet einen umfangreichen Überblick über die Arbeiten der drei erwähnten Intellektuellen. Gegenbeispiele anderer Formen von Intellektualität verdeutlichen ihre Argumente zusätzlich. Als vertiefende Literatur zu den erwähnten Autoren ist das Buch sicherlich sehr gut geeignet.
Vinzent-Vitus Leitgeb (VL)
B.A., Politikwissenschaften, Student im Masterstudiengang des Geschwister-Scholl-Instituts für Politikwissenschaften an der LMU München.
Rubrizierung: 5.46 Empfohlene Zitierweise: Vinzent-Vitus Leitgeb, Rezension zu: Susanne Martin: Denken im Widerspruch. Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36776-denken-im-widerspruch_45174, veröffentlicht am 20.02.2014. Buch-Nr.: 45174 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken