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Kenan Engin

"Nation-Building" – Theoretische Betrachtung und Fallbeispiel: Irak

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013 (Nomos Universitätsschriften: Politik 188); 249 S.; brosch., 44,- €; ISBN 978-3-8487-0684-6
Diss. Heidelberg; Begutachtung: F. R. Pfetsch, H. Aguicenoglu. – Kenan Engin beleuchtet den Begriff des Nation‑Buildings und stellt einen Zusammenhang zum Konzept der fragilen Staatlichkeit mit ihren facettenreichen Ursachen und gesellschaftlichen sowie politischen Konsequenzen her. Auf der Grundlage dieser Überlegungen erarbeitet der Autor ein Raster eines erfolgversprechenden Nation‑Buildings, das er am Beispiel des Iraks überprüft. Das Schicksal des Landes sei von fragilen und instabilen staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen geprägt, die es seit seiner Gründung 1920 daran hinderten, eine irakische Identität zu entwickeln. Der Mangel an Zusammengehörigkeitsgefühl sei unter den drei Volksgruppen (Schiiten, Kurden und Sunniten) im Verlauf der Geschichte des Iraks immer präsent und der Keimboden für ständige innerstaatliche Auseinandersetzungen gewesen. Der Umsturz der Baath‑Regierung, die das Land gewaltsam zusammengehalten habe, habe ein unterdrücktes Konfliktpotenzial freigesetzt, das den Irak an den Abgrund gebracht habe. Dies habe 2006 und 2007 seinen Höhepunkt erreicht, als das Land nicht mehr in der Lage gewesen sei, die „Minimalfunktionen eines funktionierenden Staates zu gewährleisten“ (215). Diese Instabilität habe zusätzlich einen Nährboden für den radikalislamischen Terrorismus geboten. Die Intervention der USA habe in keiner Weise dazu beigetragen, dass der Irak sich in einen stabilen Staat habe verwandeln können. Vielmehr seien die Bemühungen um die Herstellung eines funktionierenden Staates und die Integration der Gesamtgesellschaft im Irak trotz der zusätzlichen flankierenden Maßnahmen der Vereinten Nationen ohne durchgreifenden Erfolg. Nach dem Abzug der Amerikaner sei ein „autoritäres und teilweise gesetzloses Land“ (215) entstanden, in dem Separationstendenzen zu beobachten seien und von einem durchgesetzten staatlichen Gewaltmonopol keine Rede sein könne. Denn im Irak operierten heute mehr denn je nichtstaatliche Kräfte. Die Zukunft des Landes sei durch die Intervention noch offener, „der Mangel eines ‚Wir‑Gefühls‘ bzw. einer ‚Iraqiness‘ durch Feindseligkeit“ sei weiter verschärft und durch eine umstrittene Föderalisierung des Landes nach ethnischen Grenzlinien die Gefahr eines Staatszerfalls erheblich erhöht“ (221 f.) worden. Die ethno‑religiösen Spannungen nach dem Sturz Saddams blockierten heute mehr denn je zuvor die Stabilisierung des Landes und bedrohten die irakische Einheit, lautet das Fazit des Autors.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.63 | 2.21 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Kenan Engin: "Nation-Building" – Theoretische Betrachtung und Fallbeispiel: Irak Baden-Baden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36758-nation-building--theoretische-betrachtung-und-fallbeispiel-irak_44777, veröffentlicht am 20.02.2014. Buch-Nr.: 44777 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken