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Klaus-Jürgen Bruder / Christoph Bialluch / Benjamin Lemke (Hrsg.)

Sozialpsychologie des Kapitalismus – heute. Zur Aktualität Peter Brückners. Eine Publikation der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP)

Gießen: Psychosozial-Verlag 2013 (Subjektivität und Postmoderne); 429 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-8379-2226-4
Der Wissenschaftler und Hochschullehrer Peter Brückner (1922‑1982) mischte sich engagiert in politische und gesellschaftliche Fragen ein und wurde deshalb wiederholt zum Opfer medialer und politischer Hetzkampagnen sowie zweier Suspendierungen (deren Rechtmäßigkeit in beiden Fällen anschließend gerichtlich verneint wurde). Im Gegensatz zu vielen anderen linken Intellektuellen blieb er trotz des politischen Drucks seinem grundsätzlich herrschaftskritischen Ansatz treu, denn „Herrschaftskritik war für Brückner kein intellektuelles Spiel, sondern die einzige Möglichkeit, als Intellektueller zu leben und zu überleben“ (320), wie Klaus Weber in seinem Beitrag formuliert. Für Brückner als Psychologen stellte die bürgerliche Familie als zentrale Sozialisationsinstanz den entscheidenden Mechanismus zur Aufrechterhaltung ungleicher Eigentums‑ und Herrschaftsverhältnisse dar. Mögen sich auch die Erziehungsmethoden gewandelt haben, so sind Kinder nichtsdestotrotz auch heute noch „Objekte familialer Herstellung von Normalität und Konformität“ (321); Bildung und Erziehung sind gar in vielerlei Hinsicht noch stärker als damals an Funktionalitätsanforderungen im neoliberalen Kapitalismus geknüpft. „Besitz‑ und Eigentumsverhältnisse [...] strukturieren unsere Menschwerdung“ (322), daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Diese trotz veränderter Vorzeichen anhaltende Aktualität vieler Arbeiten Peter Brückners dient auch den anderen Autor_innen als Leitlinie für ihre Fragestellungen. Im Zentrum stehen dabei vor allem drei übergreifende Themenblöcke: die politischen und ökonomischen Transformationsprozesse hin zu Postdemokratie und Neoliberalismus, Exklusion und Benachteiligung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen aufgrund sozialer oder ethnischer Kriterien sowie Fragen von Selbstsozialisation und ‑unterdrückung. Ein vierter Themenblock vereint zudem Beiträge, die sich mit alternativen Gesellschaftsvorstellungen und Gegenentwürfen zum neoliberalen Kapitalismus auseinandersetzen. Das Buch erinnert nicht nur daran, dass auch demokratische Gesellschaften in vielerlei Hinsicht repressiven Herrschaftsmechanismen unterworfen sind. Darüber hinaus stellt es ein starkes Plädoyer für die Selbsthinterfragung der Sozialwissenschaften dar. Unter dem Druck finanzieller Einschnitte und einer sich wandelnden Bildungspolitik scheint eine ihrer wesentlichen Aufgaben – das Hinterfragen und Kritisieren von Herrschaftsstrukturen – immer mehr in den Hintergrund gedrängt zu werden.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 2.23 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Klaus-Jürgen Bruder / Christoph Bialluch / Benjamin Lemke (Hrsg.): Sozialpsychologie des Kapitalismus – heute. Gießen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36552-sozialpsychologie-des-kapitalismus--heute_44091, veröffentlicht am 02.01.2014. Buch-Nr.: 44091 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken