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Andrea Günter

Die Kultur des Ökonomischen. Gerechtigkeit, Geschlechterverhältnisse und das Primat der Politik

Königstein/Ts.: Ulrike Helmer Verlag 2013; 215 S.; pb., 29,95 €; ISBN 978-3-89741-351-1
Die Theologin und Philosophin Andrea Günter möchte mit diesen Essay einen Beitrag dazu leisten, den jahrhundertealten Dualismus von Politik und Ökonomie zu überwinden, indem Wirtschaft und Gerechtigkeit „nicht als zwei Bereiche“, sondern „vielmehr als zwei verschiedene politische Kulturzustände“ (15) diskutiert werden. Für ihre Argumentation bedient sie sich insbesondere der Schriften Platons, für den Fragen nach Gerechtigkeit, Geschlechterverhältnissen und dem Dualismus von Ökonomie und Politik nicht nur eine zentrale Rolle gespielt haben, sondern darüber hinaus untrennbar miteinanderverwoben waren. Mit Platon ersetzt sie den Dualismus von „Haben oder Sein“ (so Erich Fromm) durch eine „Kultur des Habens“ (20), die nicht mehr nur nach dem Mehr‑Wert, sondern dem gerechten Wert der Dinge fragt. Günter betreibt hier indes keine klassische Kapitalismuskritik: „Nach der Ökonomie als Kulturleistung zu fragen, bringt einen wichtigen Vorteil mit sich. Anstatt auf die andere Gesellschaft oder die andere Ökonomie zu warten, rückt in den Vordergrund, mitten aus den Verhältnissen heraus neue Unterschiede zu erzeugen und neue Verbindungen zu wagen“ (25). Dies impliziert aber auch die Notwendigkeit, hinter die oberflächlichen Fassaden gesellschaftlicher Phänomene zu blicken, „die Gegenwart nicht bloß anhand ihrer Symptome zu reproduzieren […], Gegenwart hingegen zu überschreiten, indem nach den Sinngebungsmustern des menschlichen Zusammenlebens anhand von tatsächlich auftretenden Symptomen gefragt wird“ (11). Die mediale Diskussion und politische Ausweitung von Frauenquoten zum Beispiel macht, so die Autorin, eher misstrauisch als dass sie (Geschlechter‑)Gerechtigkeit nach sich zieht. Die Fragen, die dahinter stehen, sind vielmehr, warum eine Quote zu einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt interessiert und was dies über die dahinterstehende Kultur des Ökonomischen aussagt. Günter legt mit diesem Buch einen absolut überfälligen Perspektivenwechsel vor, der die Debatte darüber, wie wir in Zukunft leben und arbeiten wollen, ungemein bereichern kann. Zu kritisieren ist die oftmals nicht ganz vorhandene Stringenz und Struktur des Argumentationsaufbaus, was den Lesefluss und die Nachvollziehbarkeit an vielen Stellen unnötigerweise erschwert. Dies ist wohl vor allem dem Umstand geschuldet, dass es sich hier um eine Zusammentragung von zuvor einzeln veröffentlichten Essays handelt. Das führt außerdem dazu, dass viele wichtige Debattenstränge gerade der jüngeren, kriseninduzierten Kapitalismusdiskussion unter den Tisch fallen.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.36 | 2.35 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Andrea Günter: Die Kultur des Ökonomischen. Königstein/Ts.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36395-die-kultur-des-oekonomischen_43772, veröffentlicht am 14.11.2013. Buch-Nr.: 43772 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken