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Jürgen Nordmann / Katrin Hirte / Walter Otto Ötsch (Hrsg.)

Demokratie! Welche Demokratie? Postdemokratie kritisch hinterfragt

Marburg: Metropolis-Verlag 2012 (Kritische Studien zu Markt und Gesellschaft 5); 275 S.; 28,- €; ISBN 978-3-89518-970-8
Colin Crouch hat mit seiner 2008 veröffentlichten Studie über „Postdemokratie“ (siehe Buch‑Nr. 34827) prägnant typische Defizite in der Entwicklung moderner Demokratien benannt, die rasch in Medien und Sozialwissenschaften aufgegriffen und diskutiert worden sind. Dieser Band enthält Kommentare und Kritiken zur Postdemokratie‑These; er beruht auf einer im Dezember 2011 an der Johannes Kepler Universität Linz durchgeführten Tagung. Im Eröffnungsreferat resümiert Crouch seine Diagnose, dass in Folge von Globalisierung, transnationaler Verflechtungen und neoliberaler Deregulierungen demokratische Prozesse zunehmend an Substanz verlieren. Zwar bleiben im postdemokratischen Zustand formaldemokratische Standards erhalten, faktisch jedoch verlagern sich Entscheidungen vom Parlament in Zirkel wirtschaftlicher Eliten und technokratischer Expertengremien. Politische Partizipation verkommt zum konsumistischen Medienspektakel und die Interessen der unteren sozialen Schichten werden systematisch ignoriert. In der Summe akzeptieren die Autoren in den folgenden Beiträgen Crouchs Überlegungen als Beschreibungen aktueller Entpolitisierungsphänomene, kritisiert wird indessen deren theoretische Einbettung. Das betrifft zunächst die fragliche, nostalgisch getönte Rede vom Verlust realer Demokratie (Pelinka). Teils beziehen sich die Einwände auf Argumentationen klassischer Kritik der politischen Ökonomie (Jessop; Elsner) oder solche der neueren politischen Ökonomie (Heise). Teils – und dann soziologisch anregender – geht es um konzeptionelle Alternativen mit Blick auf das Verständnis politischer Emotionen (Kajewski), Formen politischen Widerstands (Salomon) oder einer Reformulierung der Postdemokratiethese auf Basis der Theorie reflexiver Modernisierung im Sinne Ulrich Becks (Blühdorn). Unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten ist der Beitrag von Jörke hervorzuheben, der Crouchs Zeitdiagnose vor dem Hintergrund zivilgesellschaftlicher, deliberativer und expertokratischer Demokratiemodelle kritisch interpretiert.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 5.41 | 2.4 | 2.65 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Jürgen Nordmann / Katrin Hirte / Walter Otto Ötsch (Hrsg.): Demokratie! Welche Demokratie? Marburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36318-demokratie-welche-demokratie_43304, veröffentlicht am 24.10.2013. Buch-Nr.: 43304 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken