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Andreas Auer / Katharina Holzinger (Hrsg.)

Gegenseitige Blicke über die Grenze. Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie in Deutschland und der Schweiz

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013 (Schriften zur Demokratieforschung 8); XII, 160 S.; brosch., 44,- €; ISBN 978-3-8487-0565-8
Trotz einer stetig steigenden Anzahl an Untersuchungen über die direkte Demokratie in Deutschland und der Schweiz sind beide Staaten laut Andreas Auer und Katharina Holzinger „zwei Referenzmodelle, zwei Entwicklungen, die sich gegenseitig wenig kennen und kaum beeinflussen, obwohl sie sich in zwei mehrheitlich gleichsprachigen, wirtschaftlich eng verbundenen Nachbarländern abspielen“ (VI). Der Sammelband entstand als Reaktion auf die Volksabstimmung über Stuttgart 21 und versucht diese gegenseitige Unkenntnis zumindest ansatzweise zu verringern. Nadja Braun Binder und Theo Schiller vergleichen deshalb beispielsweise direktdemokratische Kompetenzen im Bereich der öffentlichen Finanzen. Während Abstimmungen hinsichtlich finanzrechtlicher Fragestellungen in allen deutschen Bundesländern allein den Landtagen vorbehalten sind, haben Finanzreferenden in Schweizer Gemeinden und Kantonen eine lange Tradition. Dies führe, so Schiller, zu geringeren Staatsausgaben und einem hohen Kenntnisstand der Bevölkerung über Finanzfragen. Allerdings habe in der Vergangenheit der Konsenszwang wichtige sozialpolitische Vorhaben deutlich verzögert. Das Buch enthält neben theoretischen Grundlagen und empirischen Fallanalysen auch interessante Beiträge zu Perspektiven und Herausforderungen. So benennt Werner J. Patzelt konkrete Herausforderungen an die direkte Demokratie und leitet daraus vier Reformvorschläge ab: Erstens müsse das Gesamtniveau der politischen Bildung angehoben werden, zweitens solle bei politischen Planungsprozessen stärker mit den Bürger_innen kooperiert werden. Drittens plädiert Patzelt für eine – zumindest punktuelle – Ausweitung und Vertiefung direktdemokratischer Instrumente. Als letzten Vorschlag führt er die Einführung offener Vorwahlen für Direktkandidaten auf Wahlkreisebene an, um auch Quereinsteigern eine politische Laufbahn zu ermöglichen. Durch fast alle Beiträge zieht sich der gemeinsame Tenor, die Legitimation der Direktdemokratie behutsam zu stärken. Dabei müsse man stets die Gefahren der Volksgesetzgebung, zum Beispiel die Tendenz zum Populismus und die oft mangelnde Repräsentation von Minderheiten, beachten. Einer Übertragung der Direktdemokratie nach schweizerischem Vorbild auf die Bundesrepublik widersprechen die Autor_innen jedoch vehement, weil die Regierungssysteme und die politische Kultur in beiden Ländern stark voneinander abweichen.
Stefan Müller (SMÜ)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Trinity College Dublin.
Rubrizierung: 2.1 | 2.21 | 2.5 | 2.32 Empfohlene Zitierweise: Stefan Müller, Rezension zu: Andreas Auer / Katharina Holzinger (Hrsg.): Gegenseitige Blicke über die Grenze. Baden-Baden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36210-gegenseitige-blicke-ueber-die-grenze_44510, veröffentlicht am 19.09.2013. Buch-Nr.: 44510 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken