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Michael Zürn / Matthias Ecker-Ehrhardt (Hrsg.)

Die Politisierung der Weltpolitik. Umkämpfte Internationale Institutionen

Berlin: Suhrkamp 2013 (edition suhrkamp 2659); 427 S.; 25,- €; ISBN 978-3-518-12659-2
Schon der Titel des Sammelbandes lässt aufhorchen: In der Postdemokratie‑Debatte ist gegenwärtig allenthalben von der nahezu unausweichlichen Entpolitisierung westlicher Demokratien die Rede – aber unterliegt die Weltpolitik in der Totale einem gegenläufigen Trend? Auch die allgemeine, an Manfred G. Schmidt angelehnte Definition von Politisierung, die Michael Zürn in seiner Einleitung vorschlägt, nährt diese Vermutung: „Politisierung soll definiert werden als der Prozess, mittels dessen Entscheidungskompetenzen und die damit verbundenen autoritativen Interpretationen von Sachverhalten in die politische Sphäre gebracht werden, d. h. entweder in das politische Teilsystem [...] oder in den politischen Raum [...] transportiert werden.“ (19) Auch wenn diese etwas sperrige Formulierung noch recht vage bleibt, so wird doch das Erscheinen von Entscheidungszusammenhängen (inhaltlich oder institutionell) im Bereich des Politischen betont – mit anderen Worten: Policies werden kontrovers. Im weltpolitischen Maßstab rücken damit jene Akteure – Staaten, Konzerne, NGOs, Individuen – in den Mittelpunkt des Interesses, die an diesem Transfer und seiner Gestaltung beteiligt sind. All diese Akteure, so Zürn, greifen auf globaler Ebene auf internationale Institutionen zurück, sodass sich für die Politisierung von Entscheidungen auf internationaler Ebene zwei Motivlagen differenzieren lassen: Regelungs‑ und Legitimationsbedarf. Der Aspekt des Legitimationsbedarfs weist darauf hin, dass Bedarf an globalen Problemlösungen besteht, die im Zuge ihrer Implementierung auf Domänen einwirken, die eigentlich dem Nationalstaat vorbehalten sind. Internationale Institutionen werden daher als Legitimationsbeschaffer benötigt. Der Regelungsbedarf hingegen speist sich laut Zürn aus der Einsicht, dass die Welt eben doch nicht der sprichwörtlichen unsichtbaren Hand des Marktes überlassen werden könne. Gerade in der Folge der weltweiten Wirtschafts‑ und Finanzkrise seit 2008 ergeben sich Regulierungsnotwendigkeiten, die die Macht der Märkte eindämmen und stattdessen den Primat der Politik in der kollektiv verbindlichen Entscheidungsfindung nicht nur behaupten, sondern auch belegen. Der Band kommt insgesamt zu dem äußerst ambivalenten Befund, dass eine situative Aufwertung internationaler Institutionen im Zuge der gegenwärtigen Krise zu beobachten sei. Ob sich daraus auch ein (Wieder‑)Erstarken der Demokratie ergibt? Die Herausgeber bleiben zurückhaltend: „Freilich“, so heißt es im Fazit, „erwächst aus der Politisierung der internationalen Institutionen nicht automatisch Demokratisierung“ (367).
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.1 | 4.3 | 4.43 | 2.2 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Michael Zürn / Matthias Ecker-Ehrhardt (Hrsg.): Die Politisierung der Weltpolitik. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35992-die-politisierung-der-weltpolitik_43891, veröffentlicht am 25.07.2013. Buch-Nr.: 43891 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken