Skip to main content
Ralf Georg Reuth / Günther Lachmann

Das erste Leben der Angela M.

München/Zürich: Piper 2013; 335 S.; geb., 19,99 €; ISBN 978-3-492-05581-9
Über die ersten „35 Jahre meines Lebens“ (14), so Angela Merkel 2004 in einem Interview, sei wenig bekannt. Deshalb ist es verständlich und sogar wünschenswert, dass die Journalisten Ralf Georg Reuth und Günther Lachmann fragen: „Doch verlief das erste Leben der Angela Merkel wirklich so, wie es bislang dargestellt wurde?“ (15) Das Buch, dessen Titel mit dem als „M.“ abgekürzten Familiennamen an einen konspirativen Bericht erinnern mag, sorgte zum Zeitpunkt seines Erscheinens für eine intensive Medienberichterstattung. Wer es liest und gänzlich Überraschendes oder gar politisch Kompromittierendes erwartet, dürfte enttäuscht werden. Auf der Basis umfangreicher Recherchen zeichnen die Autoren das Leben der heutigen Kanzlerin bis zur Ministerernennung 1991 nach; dabei zieht sich die Frage nach der politischen Position wie ein roter Faden durch das Buch: Merkel, deren Physiklehrer sie als den „Inbegriff eines ‚jederzeit beherrschten und gefassten Menschen‘“ (68) beschreibt, engagierte sich in der Schule und während des Studiums in der FDJ – das ist aber für ihre Generation nicht untypisch. Dass sich die Erinnerungen Merkels und die ihrer Kommilitonen dahingehend unterscheiden, ob die Physikstudentin für Agitation und Propaganda zuständig war, thematisieren die Autoren zu Recht kritisch. Mit Blick auf die Zeit der Proteste gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns heißt es: „Mehr als 60 Seiten [der Diplomarbeit] schrieb sie in diesen Monaten in ihrer Dachkammer, während das Regime seine Kritiker aus dem Land schaffte“ (98). Das wird ebenso als Arrangement mit dem SED‑Staat – ihr späterer Ministerkollege Günther Krause spricht sogar von „Systemnähe“ (116) – bewertet wie der Umstand, dass sich Merkel an den politischen Diskussionen im „Templiner Gesprächskreis“ (163) ihres Vaters, eines Pfarrers, kaum beteiligte. Dass sie sich an dem jeweils politisch Opportunen orientiere, suggerieren die Autoren auch am Beispiel der Volkskammerwahl 1990: „Noch in der Wahlnacht suchte die Pressesprecherin des Demokratischen Aufbruchs die Nähe zum Sieger“ (232), zu Lothar de Maizière von der CDU.
Hendrik Träger (HT)
Dr., Politikwissenschaftler, Lehrkraft für besondere Aufgaben, Institut für Politikwissenschaft, Universität Magdeburg und Institut für Politikwissenschaft, Universität Leipzig.
Rubrizierung: 2.3 | 2.314 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Träger, Rezension zu: Ralf Georg Reuth / Günther Lachmann: Das erste Leben der Angela M. München/Zürich: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35947-das-erste-leben-der-angela-m_44092, veröffentlicht am 14.07.2013. Buch-Nr.: 44092 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken