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Tilman Mayer / Karl-Heinz Paqué / Andreas H. Apelt (Hrsg.)

Modell Deutschland

Berlin: Duncker & Humblot 2013 (Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung 103); 209 S.; 88,90 €; ISBN 978-3-428-14024-4
Im Vorwort der Herausgeber des Sammelbandes, dessen Erscheinen – und diese Bemerkung ist wichtig – das Bundesministerium des Innern mitfinanziert hat, steht ein irritierender Satz: „Deutschland steht wirtschaftlich gut da.“ (7 f.) In der Folge beschäftigen sich die Autoren und die Autorin (an einem von fünfzehn Beiträgen hat eine Frau mitgeschrieben) mit der Frage, inwieweit die deutsche Entwicklung auch als Modell für andere Staaten dienen könne – denen es, so die implizite Unterstellung, schlechter geht. Schließlich seien auf beeindruckende Art und Weise die Teilungsfolgen überwunden und Deutschland im nunmehr 23. Jahr nach der deutschen Einheit doch noch die sprichwörtlichen „blühenden Landschaften“ beschert worden. Vor diesem Hintergrund entfaltet sich in den Beiträgen, entstanden im Rahmen der 34. Jahrestagung der Gesellschaft für Deutschlandforschung im März 2012, ein merkwürdiges Spannungsfeld: Auf der einen Seite stehen zurückhaltende Stimmen, die – wie etwa Marc Oliver Bettzüge – die ohnehin schon gegebene Verflechtung der europäischen Energiepolitik betonen, sodass von einem deutschen Sonderweg, geschweige denn von einer Vorbildfunktion, angesichts der bestehenden Interdependenzen in der Energieproduktion keine Rede sein kann. Hinzu kommen historisch akzentuierte Beiträge wie die von Günther Heydemann oder Otto Dann, die davor warnen, ein „Modell Deutschland“ (87) auch in die anderen europäischen Staaten, gar in die Welt zu exportieren – unter anderem, weil der Deutschlandbegriff im Ausland verständlicherweise, wie Dann betont, zumindest ambivalente Erinnerungen weckt. Eine Erinnerungskultur, die in Deutschland mit zwei schlimmen Diktaturen umzugehen habe, lasse sich schlichtweg nicht einfach so von A nach B verpflanzen und adaptieren. Auf der anderen Seite hingegen finden sich Beiträge, die aus einer gegenwartsbezogenen, ökonomisierten Perspektive mehr Deutschland in Europa fordern – und das schnell. Besonders der Beitrag von Karl‑Heinz Paqué über den Umgang mit der gegenwärtigen Wirtschafts‑ und Finanzkrise hinterlässt den merkwürdigen Eindruck, von Deutschland und der von der Bundesregierung propagierten bedingungslosen Austeritätspolitik zu lernen sei einfach alternativlos. Indes – was für ein Wirtschafts‑ und Sozialstaatsmodell exportieren wir da, das auch im Jahr 2013 keine flächendeckenden Mindestlöhne zu etablieren vermag und in dem ganze Regionen, man denke etwa an das Ruhrgebiet, zusehends verelenden. Vielleicht wären die beiden letztgenannten Problemstellungen ebenfalls interessante Betätigungsfelder für die Wissenschaftsförderung des BMI.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.3 | 2.311 | 2.343 | 2.35 | 3.1 | 4.21 | 2.313 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Tilman Mayer / Karl-Heinz Paqué / Andreas H. Apelt (Hrsg.): Modell Deutschland Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35914-modell-deutschland_43760, veröffentlicht am 04.07.2013. Buch-Nr.: 43760 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken