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Werner J. Patzelt (Hrsg.)

Die Machbarkeit politischer Ordnung. Transzendenz und Konstruktion

Bielefeld: transcript Verlag 2013 (Edition Politik); 468 S.; kart., 38,80 €; ISBN 978-3-8376-2247-8
Politische Ordnungen sind auf spezifische Wissensbestände, Normalitätsvorstellungen und Deutungspraktiken angewiesen, um als legitim anerkannt zu werden und auf Tolerierung und Unterstützung zählen zu können. Ausgehend von diesem politologischen Paradigma erforschen die Autoren des Bandes, die überwiegend am Dresdner Sonderforschungsbereich 804 „Transzendenz und Gemeinsinn“ mitwirken, die Prinzipien der Produktion und Modifikation jener soziokulturellen Ressourcen, von denen herrschaftsausübende Institutionen zehren. Im Zentrum der vielfältigen Einzelfallstudien steht das Konzept der Transzendenz. Es wird in den ersten drei Kapiteln auf Grundlage diskurstheoretischer und ethnomethodolgischer Überlegungen als Schlüsselbegriff zur Analyse politischer Diskurse entfaltet. Um den überdeterminierten Transzendenzbegriff analytisch fruchtbar zu machen, unterscheidet Werner J. Patzelt zunächst drei Dimensionen des Begriffs: Handlungsmotivation, Hermeneutik und Unverfügbarkeit. Insbesondere die beiden Letztgenannten erscheinen sozialwissenschaftlich relevant. Anhand zahlreicher kurzer Beispiele aus Religion, Politik und Wissenschaft verdeutlicht Patzelt, wie sich Deutungspraktiken als „Transzendenzrekurse“ (18) rekonstruieren lassen. Dabei wird ein singuläres Ereignis im Hier und Jetzt sinnhaft gemacht, indem auf ein übergeordnetes, allgemeineres Ordnungsprinzip verwiesen wird. Werden solche Deutungspraktiken hegemonial, konstituieren sie politische Glaubensgemeinschaften, innerhalb derer sie schließlich dogmatisiert und für Infragestellungen unverfügbar gemacht werden. Ohne dass es Patzelt explizit macht – der Transzendenzbegriff des Sonderforschungsbereichs generiert ähnliche Forschungsfragen und ‑perspektiven wie das Konzept der Hegemonie. Da verwundert es nicht, wenn Sebastian Heer neben dem Begriff des Diskurses den des Mythos als die zweite Säule des transzendenztheoretischen Begriffsinstrumentariums profiliert, um die Bedeutung „identitäts‑ und legitimitätsstiftende[r] Narration[en]“ (108) in der Konstruktion politischer Kollektive zu erfassen. Das soll aber nicht als negative Kritik missverstanden werden. Die Perspektive des Sonderforschungsbereiches, das deuten nicht zuletzt die in diesem Band zusammengestellten empirischen Analysen an, erlaubt es, die mehr oder minder umkämpfte Entstehung, Aktualisierung und Modifikation kontingenter intersubjektiv geteilter Deutungsschemata zu ergründen, auf die Menschen zur Entzifferung gesellschaftlicher Prozesse und politischer Ereignisse zurückgreifen.
Marius Hildebrand (HIL)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.42 | 2.68 | 3.1 | 2.314 | 2.321 | 2.313 Empfohlene Zitierweise: Marius Hildebrand, Rezension zu: Werner J. Patzelt (Hrsg.): Die Machbarkeit politischer Ordnung. Bielefeld: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35859-die-machbarkeit-politischer-ordnung_43843, veröffentlicht am 13.06.2013. Buch-Nr.: 43843 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken