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Georg Kreis (Hrsg.)

Europa und die Welt. Nachdenken über den Eurozentrismus

Basel: Schwabe Verlag 2012; 181 S.; brosch., 23,50 €; ISBN 978-3-7965-2852-1
Das Verhältnis Europas zur Welt wird in dem interessanten Sammelband aus historischer, philosophischer, literarischer, juristischer, politologischer und soziologischer Perspektive beleuchtet. Ein wesentlicher Aspekt sind dabei die Menschenrechte. Die Philosophin Annemarie Pieper versteht diese als Freiheitsrechte, in deren Zentrum das Recht auf Leben stehe. Historisch gesehen könne man sie „als Erbe unserer freiheitlich‑demokratischen Tradition und unserer christlich‑humanistischen Kultur“ (75) begreifen. Um dem Eurozentrismusvorwurf zu entgehen, sei es wichtig, auch die Entwicklungen außerhalb Europas zu berücksichtigen, die es erlaubten, trotz unterschiedlicher historischer, sprachlicher und anderer Besonderheiten die Menschenrechte als ein überkulturelles Konzept mit einem universal verbindlichen Normenkatalog aufzufassen. Wie sich dieses Konzept entwickelt hat, zeigen die Juristen Stephan Breitenmoser und Chiara Piras, indem sie die Herausbildung weitgehender Normen zum Schutz der Menschenrechte gerade durch die EU und den Europarat am Beispiel der Abschaffung der Todesstrafe nachzeichnen. Die Politologin Elham Manea diskutiert die Frage, wie Europa mit seinen muslimischen Migranten umgehen soll, ebenfalls unter Bezugnahme auf die Menschenrechte. Ihre Antwort orientiert sich an drei von ihr postulierten Prinzipien, an die sich die muslimischen Migranten anpassen sollten: erstens der Säkularismus, zweitens der Vorrang der Menschenrechte vor religiösen Anliegen und drittens die eher als Forderung denn als Prinzip zu verstehende Berücksichtigung des Themas Islam und Gender in den islamischen Gesellschaften. Ihre Schlussfolgerungen belegt sie anschaulich, so etwa mit der Position, dass islamische Mädchen am Schulschwimmunterricht teilnehmen sollten. Obwohl Manea anfangs auf die Komplexität der Thematik aufmerksam macht, vernachlässigt sie diese dann bei ihren Prinzipien und Lösungsvorschlägen. Beispielsweise blendet sie aus, dass die Religionsfreiheit selbst ein Menschenrecht ist, wodurch sich ihr zweites Prinzip als wenig brauchbar entpuppt. Stehen sich so konfligierende Menschenrechte gegenüber, bedarf es eher eines Aushandlungsprozesses über die Ausgestaltung und Gewichtung dieser Menschenrechte als plakativen Prinzipien, die dem Gegenstand weder theoretisch gerecht werden noch für die Beilegung von Konflikten in der Praxis hilfreich sein dürften.
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.61 | 4.2 | 4.41 | 4.42 | 4.45 | 2.263 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Georg Kreis (Hrsg.): Europa und die Welt. Basel: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35771-europa-und-die-welt_43394, veröffentlicht am 16.05.2013. Buch-Nr.: 43394 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken