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Johannes Thumfart

Die Begründung der globalpolitischen Philosophie. Francisco de Vitorias Vorlesung über die Entdeckung Amerikas im ideengeschichtlichen Kontext

Berlin: Kulturverlag Kadmos 2012 (Kaleidogramme 44); 300 S.; 26,80 €; ISBN 978-3-86599-083-9
Diss. HU Berlin; Begutachtung: V. Gerhardt, M. van Gelderen. – Als Kolumbus und die ihm bald folgenden Konquistadoren in der Neuen Welt landeten, führte das zwar noch nicht zu einer Auflösung des eurozentristischen Weltbildes, aber die über Jahrhunderte gewachsenen Vorstellungen wurden durch die Anwesenheit einer autochthonen Bevölkerung, die mitunter riesige Städte errichtet und komplexe Staatswesen entwickelt hatte und zudem noch über ganz eigene religiöse Riten verfügte, nachhaltig gestört und verändert. Denn angesichts dessen wirkten etwa die Ideen von der weltlichen Universalmonarchie oder der päpstlichen Globalherrschaft als Relikte einer vergangenen Zeit, die nichtsdestotrotz weiterhin Spuren in der zeitgenössischen Politik und vor allem im Denken des häufig als Begründer des Völkerrechts gehandelten Francisco de Vitoria hinterlassen haben. So modern sein Denken über eine humanitäre Intervention oder einen globaldemokratischen Entwurf auch sein mochte, so gingen auch bei ihm Toleranz für den Anderen, Missionarismus und Rechthaberei ineinander über. Vitoria, der Amerika selbst nie mit eigenen Augen gesehen hatte, war sich dennoch bewusst, dass in dieser Neuen Welt ganz eigene Grundsätze galten, die von den mittelalterlichen und antiken der Alten Welt abwichen. Wurde etwa in der Antike die Sklaverei damit gerechtfertigt, dass Menschen, denen es an Vernunft mangelte, an die Hand genommen werden mussten, attestierte Vitoria – anders als die meisten der Eroberer – den Amerindianern einen ganz eigenen Gebrauch der Vernunft. Diese ermöglichte letztlich eine interkulturelle Kommunikation, die wiederum Voraussetzung war für ein Zustandekommen von Recht und Gerechtigkeit im Verhältnis zwischen den Völkern. In vier großen Kapiteln verfolgt Thumfart überzeugend und mit großer Sprachkenntnis die ideengeschichtlichen Stränge an der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit, betrachtet dabei die Entdeckung Amerikas als juridisch-moralisches Problem, rekonstruiert die Entwicklung einer globalpolitischen Philosophie und beantwortet die Frage, welche Bedeutung Vitoria im Prozess der Verrechtlichung und der Säkularisierung tatsächlich zukommt.
Michael Vollmer (MV)
M. A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, TU Chemnitz.
Rubrizierung: 5.32 | 4.1 Empfohlene Zitierweise: Michael Vollmer, Rezension zu: Johannes Thumfart: Die Begründung der globalpolitischen Philosophie. Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35344-die-begruendung-der-globalpolitischen-philosophie_42583, veröffentlicht am 30.08.2012. Buch-Nr.: 42583 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken