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Christian Otto

Die Grünen und der Pazifismus

Marburg: Tectum Verlag 2011 (Politikwissenschaften 48); 122 S.; pb., 19,90 €; ISBN 978-3-8288-2799-8
Christian Otto, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gießener Bürgermeisterin, leistet mit diesem Buch einen interessanten Beitrag zur Pazifismusdebatte innerhalb der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Die Beteiligung deutscher Kampftruppen beim Jugoslawieneinsatz sei nicht nur der erste Kampfeinsatz deutscher Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg gewesen, schreibt Otto, sondern habe auch den pazifistischen Nimbus der Grünen infrage gestellt. Er untersucht, inwiefern die Programmatik und das Regierungshandeln der Grünen noch möglichen pazifistischen Kriterien entsprechen. Zunächst beschreibt er zwei divergierende Pazifismus-Konzepte: „den Mittelpazifismus, der sich hauptsächlich auf die Negation des Gewalteinsatzes im Mittel definiert“ (7). Den Vereinten Nationen komme demgemäß die entscheidende Rolle bei der Konfliktbewältigung zu. Beim zweiten Konzept, dem Zweckpazifismus, „ist der Einsatz von Gewalt zur Errichtung einer gewünschten Friedensordnung legitim“ (28). Anschließend untersucht Otto die Entstehungsgeschichte der Grünen in drei Zeitabschnitten, die er als Kristallisationspunkte exemplarisch für die prozesshaften Diskussionen ansieht: die unmittelbare Entstehungszeit der Grünen, die Phase nach der Wiedervereinigung sowie die Zeit, die dem deutschen Kosovo-Beschluss unmittelbar vorausging und sich bis zur Pazifismus-Debatte 2003 erstreckte. Aufgrund einer Analyse von Dokumenten wie Länderratsbeschlüssen, Bundesdelegiertenkonferenzen, Wahlprogrammen etc. zeichnet er die Debatte über den Pazifismus innerhalb der Grünen nach und gelangt zu dem Ergebnis, dass der Mittelpazifismus in den ersten Jahren die dominierende Denkrichtung war. Die postulierte Gewaltfreiheit sei Teil der Parteiidentität gewesen. Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes und des beginnenden Krieges auf dem Balkan (inklusive sogenannter ethnischer Säuberungen) haben aber zunehmend realpolitische Stimmen an Gehör gewonnen. In der Folge, schlussfolgert Otto, sei es zu einer Transformation vom Mittel- zum Zweckpazifismus gekommen, sodass es für den damaligen grünen Außenminister Joschka Fischer schließlich möglich war, einem Kampfeinsatz der Bundeswehr zuzustimmen.
Mario-Gino Harms (MGH)
Dipl.Pol., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.331 | 4.21 Empfohlene Zitierweise: Mario-Gino Harms, Rezension zu: Christian Otto: Die Grünen und der Pazifismus Marburg: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35205-die-gruenen-und-der-pazifismus_42389, veröffentlicht am 27.09.2012. Buch-Nr.: 42389 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken