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Gerhard Hauck

Globale Vergesellschaftung und koloniale Differenz. Essays

Münster: Westfälisches Dampfboot 2012; 225 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-89691-900-7
Hauck betreibt in seiner Aufsatzsammlung „Ideologiekritik“ (11). Im Zentrum steht der methodische Nationalismus der Sozialwissenschaften, der trotz mittlerweile Erfolg versprechender Ansätze noch nicht überwunden sei. Nach Hauck ist die charakteristische Triebkraft der Entwicklung moderner Gesellschaften der Kapitalismus – zwar ist dieser nicht bestimmend für alle gesellschaftlichen Teilbereiche, ohne seine Berücksichtigung lässt sich der Wandel von Kulturen und Gesellschaften jedoch kaum verstehen. Der Kapitalismus wiederum ist von seiner Natur her niemals in nationalen Gesellschaften verankert, sondern „denkt“ in weltsystemischen Kategorien (hier knüpft Hauck an die wegweisenden Schriften Wallersteins aus den 1970er‑Jahren an). Hieraus lassen sich zwei wichtige Aspekte ableiten, die sich in der einen oder anderen Form in fast jedem der versammelten Essays wiederfinden. Zum einen lässt sich keine moderne Gesellschaft ohne die Berücksichtigung der kolonialen Differenz verstehen, also den ökonomischen Verhältnissen zwischen Zentrum und Peripherie. Zeitgenössische Theorien, die den methodischen Nationalismus zu überwinden suchen (etwa das Beck'sche Konzept der Weltgesellschaft oder auch allgemein sämtliche Ansätze, die sich in der systemtheoretischen Tradition verankern lassen), berücksichtigen diese Differenz aber in der Regel nicht und können demnach den Nationalismus auch nicht überwinden. Zweitens (und in den meisten der Essays im Mittelpunkt): die genannten Ansätze und selbst diejenigen Autoren, die ihren Analysen ein kapitalistisches Weltsystem zugrunde legen, greifen zur Erklärung gesellschaftlicher Dynamiken in der Regel auf ein Kulturverständnis zurück, das substantialistisch (Kultur als statischer Begriff) und/oder harmonistisch (Ignoranz der internen Konflikte und Widersprüche von Kulturen) ist. Eine solche Sichtweise aber bietet nach Hauck keinerlei Ausweg aus dem methodischen Nationalismus, sondern reproduziert diesen weiter. Aufgrund der vielen unterschiedlichen diskutierten Themen und Theorien in den einzelnen Aufsätzen lässt sich hier zwar kaum ein zentrales Hauptargument zusammenfassen. Die Konsequenzen der genannten Kritikpunkte zeigen sich aber etwa im Kapitel über die Globalisierung: Nimmt man obige Aspekte ernst, ist es unsinnig, lokale oder regionale Kulturen als Hort des Widerstandes gegen die Auswüchse der Globalisierung zu betrachten. Insgesamt betreibt Hauck viel Kritik und bietet wenige Alternativen an. Dem Sammelband kommt insofern vor allem das Verdienst zu, eines der zentralen und umstrittensten Themen der gegenwärtigen Sozialwissenschaft für weitere Debatten aufzubereiten.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 4.44 | 2.2 | 2.67 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Gerhard Hauck: Globale Vergesellschaftung und koloniale Differenz. Münster: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35169-globale-vergesellschaftung-und-koloniale-differenz_42345, veröffentlicht am 25.10.2012. Buch-Nr.: 42345 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken