Gesundheitssystem und Gerechtigkeit
Wie kein zweites Thema ist den Deutschen die Gerechtigkeit wichtig. Dies gilt auch mit Blick auf das Gesundheitssystem als zentrales soziales Sicherungssystem – entsprechend genießt die Solidarität als Strukturprinzip der Gesetzlichen Krankenversicherung höchste Wertschätzung. Die Sicherstellung und Weiterentwicklung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung – und die dauerhafte Finanzierung derselben – ist jedoch eine konstante gesundheitspolitische Herausforderung. Martin Dabrowski, Judith Wolf und Karlies Abmeier greifen als Herausgeber der Reihe „Sozialethik konkret“, die sich der Diskussion von Fragen der Gerechtigkeit aus der Sicht unterschiedlicher wissenschaftlicher Perspektiven verschrieben hat, diese Aspekte auf. Sie versammeln zwölf Autoren – zumeist aus dem Universitätsbereich, aber auch aus der Ärzteschaft und der Bundesregierung –, die ihre Beiträge für eine Konferenz an der Katholischen Akademie in Mülheim an der Ruhr im September 2011 verschriftlicht haben. Dabei folgen jeweils auf die Untersuchung eines Hauptreferenten zwei Gegenerwiderungen. Die Beiträge zeichnen sich durch eine gewisse Heterogenität aus, es dürfte zudem für das Verständnis hilfreich sein, wenn der interessierte Leser sich nicht zum ersten Mal mit der Thematik beschäftigt. Die Grundannahme des Bandes, wonach das Gesundheitssystem nicht alles für Alle leisten kann, scheint Konsens zu sein. Schwieriger zu beurteilen aber ist die unmittelbare Schlussfolgerung, dass Priorisierung und Rationierung medizinischer Leistungen die unmittelbare Folgen sein müssen. So entbrennen insbesondere immer wieder gesundheitspolitische Debatten über die Frage, inwiefern die Überwindung bestehender Ineffizienzen im Gesundheitswesen möglich ist. Diese Sichtweise wird von den Autoren, die in ihren Beiträgen auch verschiedene Blickwinkel aufzeigen sollen, allerdings nicht konsequent aufgegriffen.