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Adelheid Wedel

Armut hier und heute. Ein Deutschlandreport

Leipzig: Militzke Verlag 2012; 208 S.; hardc., 19,99 €; ISBN 978-3-86189-851-1
Armut wird in Deutschland zunehmend zu einem politischen Thema, gerade im Zusammenhang mit dem neuen Prekariat oder den „Überflüssigen“ (siehe Buch-Nr. 34400). Mit diesem Buch wird sich der Problematik aus verschiedenen Perspektiven angenommen. Die Autorin hat zum einen Betroffene interviewt. Diese zählen jedoch nicht zu den offensichtlich Armen wie Obdachlose, bei ihnen tritt der Armutszustand noch nicht so deutlich hervor, sie sind von einer „relativen Armut“ betroffen. Mit dieser Darstellung soll auf eine schleichende Entwicklung aufmerksam gemacht werden. Eine Zusammenfassung der Schicksale der Betroffenen wird hier nicht versucht – sie würde das beklemmende Gefühl, das einem beim Lesen überkommt, nicht einfangen können. Zum anderen kommen neben den Betroffenen eine Psychologin, eine Lehrerin, ein Unternehmer und ein Arzt zu Wort. So legt Götz Werner in einem kurzen Beitrag seine mittlerweile weithin bekannte Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens dar. Der Journalist, Kulturwissenschaftler und Landwirt Axel Schmidt-Gödelitz weist u. a. auf die wichtige Frage hin, wie sich das Verhältnis von Armut und Demokratie gestaltet. Gerade im Hinblick auf die Vorstellung eines mündigen Bürgers in einer Demokratie und das Thema der Beteiligung von Armen am politischen Leben ergeben sich interessante Fragen, die hier jedoch nicht abschließend geklärt werden. Daneben beklagt er die zunehmende Distanz zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit, weil z. B. der Verfassungssatz „Eigentum verpflichtet“ nicht mehr ernst genommen werde. Und auch wenn er der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens positiv gestimmt ist, bleibt er skeptisch, wie das finanziert werden soll. Des Weiteren schreibt der Zahnarzt Carol Rolik, dass „es kein ideales Gesundheitswesen geben kann, wenn vom Arzt verlangt wird, dass er wirtschaftlich arbeitet“ (185). Er macht deshalb einige Vorschläge, wie das Gesundheitswesen reformiert werden müsste, zum Beispiel indem man Ärzte verbeamtet. Unterbrochen werden die Berichte durch Fakten zum Thema Armut, die den Lesern einen Überblick über die wichtigsten Statistiken und Definitionen liefern. Insgesamt lässt einen das Buch mit vielen Fragen zurück, insbesondere danach, wieso solche Zustände in Deutschland weitgehend hingenommen werden.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.342 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Adelheid Wedel: Armut hier und heute. Leipzig: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35051-armut-hier-und-heute_42185, veröffentlicht am 25.10.2012. Buch-Nr.: 42185 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken