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Hans Otto Lenel u. a. (Hrsg.)

ORDO. Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft 62. Begründet von Walter Eucken und Franz Böhm

Stuttgart: Lucius & Lucius 2011; X, 674 S.; geb., 116,- €; ISBN 978-3-8282-0554-3
Das Jahrbuch versammelt 23 Beiträge von zum Teil renommierten Vertretern aus verschiedenen Teilgebieten der wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin. Der Schwerpunkt des Bandes gilt den mittelfristigen Lehren aus der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie aus den bisherigen Maßnahmen zur Krisenbewältigung durch die EU und ihre Mitgliedstaaten. So diskutieren Hanno Beck und Dirk Wentzel die Vor- und Nachteile einer staatlichen Insolvenzordnung. Nicht nur in diesem Beitrag dominiert eine aus politikwissenschaftlicher Sicht erstaunliche Marktgläubigkeit. Diese findet ihren Ausdruck darin, dass die Krise vor allem als eine Staatsschuldenkrise gedeutet wird. Daraus resultiert ein – wie häufig bei Ökonomen anzutreffendes – Misstrauen gegenüber der Politik. Entsprechend restriktive – und vermeintlich rationale – Automatismen werden deshalb beispielsweise von Heiko Peters, Stefan Ried und Peter Schwarz als Lösungsansätze zum Abbau der hohen öffentlichen Verschuldung gefordert. Die bisherigen Maßnahmen der EU werden weitgehend als wenig nachhaltig eingestuft – so etwa von Ansgar Belke. Johannes Suttner und Verena Kielholz gehen der Frage nach, ob Leerverkäufe verboten werden sollten. Sie heben die Vorteile dieser Anlageform hervor, die einen maßgeblichen Anteil an den spekulativen Angriffen auf einzelne besonders krisengeschüttelte Staaten haben. Der Verweis auf die empirisch getestete These, dass „Märkte mit Leerverkäufen, wenn nicht stabiler, so doch zumindest nicht instabiler“ (106) seien, zeugt angesichts der billionenfachen Wertverluste im Zuge der gegenwärtigen Krise von einer normativen Naivität, die kaum vertretbar scheint. Ähnliches gilt für Aussagen, dass mögliche negative Wirkungen dieser Anlageform zwar „in der manipulativen Ausnutzung von Marktmacht durch einige Akteure“ (107) gründen können, dass Leerverkäufe jedoch „wertvolle Informationen für den Markt“ liefern und dadurch die „Markteffizienz erhöhen“ (110). Theoretisch deutlich reflektierter ist der Beitrag von Bodo Knoll, der sich unter Rückgriff auf historische Anleihen mit der Funktion der Spekulation in der Marktwirtschaft auseinandersetzt. Auch wenn man Knoll nicht in allen Punkten folgen mag, so liefern seine Überlegungen – wie auch einzelne andere Beiträge dieses Jahrbuchs – wichtige Denkanstöße für die notwendige politikwissenschaftliche und politische Auseinandersetzung mit Marktphänomenen. Diese lassen sich nur regulieren, wenn das Wesen, die institutionellen Rahmenbedingungen und die Verhaltensmuster von Marktgeschehnissen und -akteuren bekannt sind und unerwartete „Strukturbrüche“ (128) möglichst antizipiert werden.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 5.45 | 3.5 | 2.22 | 2.3 | 2.342 | 2.262 | 2.65 | 2.343 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Hans Otto Lenel u. a. (Hrsg.): ORDO. Stuttgart: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34885-ordo_41937, veröffentlicht am 22.03.2012. Buch-Nr.: 41937 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken