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Peter Streit

Ethik gegen Machtpolitik. Immanuel Kants Friedensschrift im Kontext des Zeitalters der Aufklärung

Bern u. a.: Peter Lang 2011 (Freiburger Studien zur Frühen Neuzeit 14); 253 S.; brosch., 53,50 €; ISBN 978-3-0343-1027-7
Philosoph. Diss. Freiburg (CH); Begutachtung: V. Reinhardt, J.-C. Wolf. – Kants Abhandlung „Zum ewigen Frieden“ gilt als Grundstein einer liberalen Theorie der Internationalen Politik. Die Interpretationen, Analysen und Kritiken sind kaum zu überblicken. Die Innovation des Ansatzes, den Streit in diesem Buch verfolgt, beruht darauf, dass er im Unterschied zur klassisch-hermeneutischen Methode des inszenierten Dialogs zwischen Autor und Interpret versucht, Kants Abhandlung in den Kontext historischer politischer Ereignisse und Diskurse zu stellen, um „der Tauglichkeit von Kants Friedenskonzept auf den Grund zu gehen“ (26). Genau dieser Interpretation scheinen sich Kants geschichtsphilosophische Werke auf den ersten Blick zu entziehen, fehlen ihnen doch unmittelbare Bezüge zur Zeitgeschichte des 18. Jahrhunderts, wie Streit unterstreicht. Er reinterpretiert diese Auslassungen, insbesondere die fehlenden Bezüge auf die bewegte Geschichte Polens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als bewusste Selektionsstrategien. Die Friedensschrift erscheint so als „Kritik an den politischen Praktiken unter dem Ancien Régime und Forderung nach politischen Reformen“ (244). Streits Urteil über die friedenspolitische Relevanz von Kants Text fällt insgesamt kritisch aus: Die strikte Trennung von Ethik und Machtpolitik in Kants moralischem System sei nicht aufrechtzuerhalten und der Vorschlag, das Zusammenleben von Staaten auf Grundlage eines lockeren Völkerbundes zu regeln, „eine eher enttäuschende Minimallösung“ (29). Am schwersten jedoch wiegt der Vorwurf, Kant reduziere Krieg und Konflikt auf eine Frage von Moral und Einsicht und negiere damit, im Unterschied zu seinen Zeitgenossen Rousseau und Smith, die Bedeutung sozialer, ökonomischer und politischer Herrschaftsverhältnisse als unmittelbare Ursachen legitimer Konflikte. So läuft Kants „Vernunftwelt mit ihren a priori-Grundsätzen“ (31) aus Sicht des Autors Gefahr, neue Unterordnungsverhältnisse hinter dem Deckmantel vernunftrechtlich begründeter und damit universalisierter Institutionen zu zementieren.
Marius Hildebrand (HIL)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.33 Empfohlene Zitierweise: Marius Hildebrand, Rezension zu: Peter Streit: Ethik gegen Machtpolitik. Bern u. a.: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34799-ethik-gegen-machtpolitik_41835, veröffentlicht am 10.05.2012. Buch-Nr.: 41835 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken